Von Kasachstan hatte ich bisher nur wenig gehört. Ich habe mal einen Artikel über den amtierenden Präsidenten / Diktator gelesen und dann einen Zeitungsbericht über ein Verbot von Reizwäsche. Beides machte wenig Lust auf eine Reise dorthin, aber ich sagte mir, dass ein Land, das so groß ist, allein schon deshalb einige Sehenswürdigkeiten haben muss. Wegen seiner schieren Größe muss man sich jedoch für einen kleinen Zipfel des großen Kasachstans entscheiden. Ich habe die Südostecke gewählt.
Von Almaty nach Basschi und dann ins Nirgendwo!
Die Reise beginnt in Almaty, dem ehemaligen Alma Ata, einer Stadt an der Seidenstraße, die einst ein prunkvolles Handelszentrum gewesen sein muss. Von der einstigen Pracht ist jedoch nur noch wenig übrig. Kaum ein Gebäude ist älter als 100 Jahre. Als Sehenswürdigkeiten werden die hölzerne und erdbebensichere Kathedrale, eine nicht erdbebensichere Moschee mit goldenen Kuppeln, ein riesiger Markt unter einem grünen Blechdach und eine Süßigkeitenfabrik präsentiert, die einem hohen ukrainischen Politiker gehört. Sie versorgt das ganze Land zuverlässig mit klebrigem Zuckerzeug.
Dann verlasse ich die Zivilisation in Richtung Norden. Der Altyn Emel Nationalpark ist einer der Gründe, warum man unbedingt nach Kasachstan reisen sollte. Ich komme in dem Dorf Basschi zwischen uralten Ladas und Schotterstraßen bei einer freundlichen Dame mit Goldzähnen unter, die ihr etwas größeres Haus liebevoll als HOTEL bezeichnet. Immerhin hat sie eine Dusche und ein Wasserklosett, was mehr ist als die meisten Bewohner von Basschi und was sie damit als Hotelbesitzerin qualifiziert.
Von hier aus erkunde ich mit meiner Reisebegleiterin Anastasia und einem Parkranger den Altyn Emel Nationalpark. Es gibt die wunderschönen Aktau-Berge, die weiss schimmern und die Katutau-Berge, die sich in krassem Rot von ihren Nachbarn unterscheiden. Ich bin beeindruckt und bemerke kaum, wie sich meine Rückenmuskulatur im Wagen auf den schlechten Straßen langsam überanstrengt. Ein besonderes Highlight ist die singende Düne. Durch einen äußerst merkwürdigen Zufall und eine Laune der Natur befindet sich mitten in der Steppe zwischen ein paar Bergen eine einzige Düne, die sich auch noch kaum von der Stelle bewegt. Alle Winde arbeiten stets daran, den vorhandenen Sand auf der Düne zu halten. Und zwar tun sie das wahrscheinlich, weil sie das Geräusch lieben, das Menschen verursachen, die die Düne herab rutschen. Ich mühe mich also ab, um den 150 Meter hohen Sandhügel hinauf zu steigen und rutsche dann mit Anastasia und dem Ranger auf dem Hintern hinab. „Achtung, Sand in der Unterhose!“ Der Ranger instruiert uns lautstark in einer Mischung aus Kasachisch, Russisch, Zeichensprache und etwas das entfernt an Englisch erinnert, möglichst gleichmässig zu rutschen und mit dem Hintern so viel Sand wie möglich in Bewegung zu setzen. Und tatsächlich gibt der ins Rutschen geratene Sand ein lautes Dröhnen von sich, vergleichbar mit einem in der Ferne startenden Flugzeug. Sehr eindrucksvoll. Im-Po-Sand sozusagen.
Wunderschöne Berge, Dünen, Nationalparks und Canyons von denen noch niemand gehört hat!
Wir brettern zurück durch den Nationalpark und schütteln uns in Basschi den Sand aus der Unterhose, bevor uns die Dame mit den Goldzähnen ein leckeres Abendessen serviert, bei dem auch die klebrigen Süßigkeiten aus der ukrainischen Fabrik nicht fehlen dürfen.
Bei der nächsten Gastfamilie muss ich das Gebäude verlassen, um auf die Toilette zu gehen. Der Reiseveranstalter führt mich von Nacht zu Nacht immer weiter aus der Zivilisation weg und steigert das, was er unter „Komfortverzicht“ im Prospekt beworben hat immer weiter. Die Toilette im Reliktwald in der Nähe einer Ortschaft mit dem wunderschönen Namen Tschundscha ist ein Zweisitzer. In einer kleinen Blechkabine sind eine beinahe normale Toilettenschüssel und ein Loch im Boden nebeneinander ohne Trennwand angeordnet. Es gibt zwei Eingangstüren und sogar eine Glühbirne. Ich werde behutsam an die sanitären Verhältnisse herangeführt, die mich im weiteren Verlauf der Reise in Kirgistan erwarten.
Ein weiteres landschaftliches Highlight im Südosten Kasachstans ist der Tscharyn Canyon, der von den Kasachen gerne mit dem Grand Canyon verglichen wird. Obwohl der Grand Canyon wohl etwas größer und eindrucksvoller ist, bin ich begeistert von dem Canyon, der etwa drei Kilometer bis zu einem kleinen aber heftigen Flusslauf hinführt. Ein Weg führt vorbei an schroffen Felsformationen aus verschiedenen Steinarten. Anastasia kann leider überhaupt keine Fantasie aufbringen, auch wenn der Canyon angeblich unendliche Interpretationsmöglichkeiten zulässt. Ich bemühe meine Fantasie und erkenne immerhin ein Hühnchen (oder einen Adler), einen Mayagott, ein Nashorn und mehrere sozialistische Plattenbauten in den Felsformationen. Ein Schild verbietet es, „labels“ auf den Felsen anzubringen. Die Kasachen wollen also unbedingt, dass jeder seine eigene Fantasie bemühen muss.
In Kasachstan gibt es sicherlich noch viel mehr zu sehen als nur die traumhaften Landschaften im Südosten. Innerhalb von wenigen Tagen fühlte ich mich hier wie auf einer Messe, auf der die Erde zeigt, was sie an Farben, Landschaften und Felsformationen so alles zu bieten hat. Kaum hat man in mühsamen zwei Stunden holpriger Fahrt 50 Kilometer zurück gelegt, sieht die Welt buchstäblich ganz anders aus. Hohe Berge wechseln sich mit schroffen Canyons, grünen Flusstälern und weiten Ebenen ab.
Das Naturerlebnis in Kasachstan: Tscharyn Canyon!
Kulinarisch war ich von den Kasachen positiv überrascht. Freundliche Damen mit blitzenden Goldzähnen servierten nie weniger als vier Gänge zu einer Mahlzeit und waren dann enttäuscht, wenn ich nicht alles vertilgen konnte. Ich wollte mit jeweils noch einen kleinen Platz im Magen lassen für die leckeren Aprikosen und Wassermelonen, die im Sommer nach jeder Mahlzeit serviert werden. Fahrt auf jeden Fall in der Wassermelonensaison nach Kasachstan! Und nehmt eine Taschenlampe und Toilettenpapier mit!
Eure Beatrice!
Kasachstan! Deine Beschreibungen haben mir richtig Lust gemacht, meinen Rucksack zu packen und loszuziehen. Die endlosen Steppen, beeindruckenden Berge und tiefen Seen – so stelle ich mir das vor – das klingt einfach nach einem Abenteuer.
Deine Fotos sind der Hammer, fast so als könnte ich die frische Bergluft schon riechen und den weiten Horizont vor mir sehen. Dein Beitrag hat mich daran erinnert, dass es noch so viele unentdeckte Orte auf der Welt gibt. Kasachstan steht jetzt definitiv auf meiner Bucket-List!
Freue mich schon auf deine nächsten Posts. Bleib weiterhin so authentisch und inspirierend! Safe travels!
Ich würde auch sofort wieder nach Kasachstan fahren. Vor allem, weil das Land ja auch so groß ist und ich nur einen Teil davon gesehen habe. Die Natur ist einfach umwerfend.
Wirklich traumhafte Landschaften in Kasachsten! Ich werde mir den Tipp zu Herzen nehmen (Klopapier und ne Taschenlampe habe ich zwas sowieso meistens mit dabei, ) und werde in der Wassermelonen-Saison fahren 🙂 Viele Grüße Michael