Tyros – Weltkulturerbe im Grenzgebiet
Von Tyros aus sind es nur noch 25 Kilometer bis nach Israel. Bis nach Palästina, sagen die Menschen hier. Hunderttausende palästinensische Flüchtlinge leben hier seit 1948 oder seit 1967 unter miserablen Bedingungen. Ihre barackenartigen Behausungen stehen teilweise nur fünf Meter von den im Vergleich dazu eleganten Wohngebäuden der Libanesen. Es gibt keine Hoffnung auf eine Rückkehr in die Heimat. Arbeiten dürfen die Palästinenser im Libanon nicht. Eine traurige Situation, gerade weil sie so aussichtslos erscheint und doch sicher mit etwas gutem Willen lösbar wäre.
Aber ich bin natürlich nicht nach Tyros gefahren, um mir elende Wohnviertel anzusehen. Mein Ziel in Tyros sind die Ruinen, die seit 1984 auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes stehen. Davon gibt es hier sogar jede Menge. Zuerst bringt mich mein Fahrer zum Hippodrom. Hier gibt es einen Parkplatz, der allerdings völlig leer ist. Jemand verkauft Eintrittskarten, die umgerechnet weniger als 50 Cent kosten. Das ist wohl auch der Inflation geschuldet. Das Tourismusministerium kommt wohl mit der Preisanpassung nicht so schnell nach wie der Bäcker um die Ecke und der Schuhverkäufer.
Ich habe die gesamte riesige Anlage für mich alleine. Ein Traum. Ich bin an einer der bekanntesten Sehenswürdigkeiten im Nahen Osten und kann nach Belieben Fotos machen, ohne dass mir jemand ins Bild läuft. Unglaublich. Ich wandele alleine auf der römischen Straße bis hin zum Triumphbogen, den Kaiser Hadrian gebaut hat. Links und rechts bestaune ich römische und babylonische Sarkophage.
Hinter dem Triumphbogen stehen einige besonders schöne Säulen. Sie sind aus einem Stein, dessen Farbe in der Sonne warm wirkt. Die Kapitelle sind gut erhalten. Links befindet sich nun das riesige Hippodrom. Es ist wohl eines der größten der Welt: 480 Meter lang. Möglicherweise gibt es in Libyen eines oder auch zwei, die größer sind. Aber wir sind hier Weltspitze!
Ich steige auf den Teil der Tribüne hinauf, der rekonstruiert wurde und sehe kaum, was an beiden Enden des riesigen ovalen Stadions steht. Hier haben Pferde- und Wagenrennen stattgefunden. Wahrscheinlich haben hier mehr Zuschauer reingepasst als in die Allianzarena.
An der Küste auf der Halbinsel gelegen gibt es noch mehr Ruinen. Es war einst eine Insel mit einer perfekt befestigten Stadt darauf. Diese war von dem berühmten Herrscher Hiram erbaut worden. Etwa 900 vor Christus. Die Mauern haben 600 Jahre lang standgehalten, bis Alexander der große kam. Dem haben sie sogar auch noch volle neun Monate standgehalten. Er hat dann aber kurzerhand das gesamte Gebiet zwischen Festland und Insel aufgeschüttet, um die Insel zu erobern. Seither ist es keine Insel mehr.
Die Ruinen der Stadt von Hiram liegen mittlerweile unter dem Meeresspiegel, aber direkt daneben kann ich mir Ruinen von Römern, Griechen, Babyloniern und Persern ansehen. Ein buntes Gemisch und vieles ist sehr gut zu erkennen.
Wenn Ihr also mal in den Libanon kommt, dann glaubt den Unkenrufen nicht. Es ist nicht gefährlich. Tyros ist zwar wegen der Flüchtlingskrise, die nun schon über 70 Jahre andauert, ein trauriger Ort. Das macht die Ruinen aber nicht weniger sehenswert.
Eure Beatrice!
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Oder lies alles ganz detailliert nach in „Auf nach Anderswo!“
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