Chinguetti – Die siebtheiligste Stadt der Welt
Eine der spannendsten und bekanntesten Touristenattraktionen in Mauretanien ist Chinguetti. Es sei einmal dahin gestellt, ob man bei Mauretanien überhaupt von bekannten Touristenattraktionen sprechen kann, aber Chinguetti ist auf jeden Fall ein faszinierendes Ziel und Historikern vielleicht sogar ein Begriff.
Im Vorfeld hatte ich einiges über Chinguetti gelesen, hauptsächlich auf französisch und auf englisch. Nun stehe ich vor dem ersten Chinguetti, das schon im 2. Jahrhundert hier gegründet wurde. Eigentlich stehe ich nicht davor, sondern darauf, denn das erste Chinguetti ist irgendwann im 7. Jahrhundert vollständig unter Sand verschwunden. Man hat eine der Moscheen wieder aufgebaut, ein paar Meter über der alten. Hier siedeln seit ein paar Jahren auch wieder ein paar Menschen, aber man sieht schon, dass es einfach kein guter Platz ist, weil der Sand sich schon wieder der neuen Häuser bemächtigt.
Chinguetti Nummer zwei wurde im 9. Jahrhundert direkt nebenan gegründet. So fünf Kilometer entfernt. Diese Stadt hatte ihre Blütezeit im 12. bis 16. Jahrhundert und war eine berühmte Karawanenstadt. Riesige Karawanen mit 32.000 Kamelen sind einst hierher gekommen. Chinguetti war damals doppelt so groß wie Ouadane. Es war eine der wichtigsten Handelsstädte in ganz Westafrika.
In Chinguetti Nummer zwei sind Gebäude, Moscheen und grandiose Bibliotheken entstanden, denn es kamen nicht nur Kamele mit allen Arten von Waren nach Chinguetti, sondern auch Wissenschaftler aus allen möglichen Bereichen. Ich besuche eine der fünf Bibliotheken, die von je einer Familie betreut werden. Der Inhaber zeigt mir Bücher aus dem 13. bis 18. Jahrhundert, die von unschätzbarem Wert sind und deren Bewahrung erst in den letzten zehn Jahren mit modernen Methoden betrieben wird. Ich sehe eine arabische Grammatik aus dem 13. Jahrhundert, einen Gedichtband aus dem 16. Jahrhundert und ein Astrologiebuch aus dem 14. Jahrhundert. Faszinierend. Der alte Mann geht voll in seiner Aufgabe als Bewahrer der Bücher auf und ist unheimlich stolz auf die alten Schinken, die er nur mit Handschuhen anfasst.
Irgendwann ereilte auch Chinguetti Nummer zwei das Schicksal, welches schon Chinguetti Nummer eins zugesetzt hat: der Sand kam. Auch diese Stadt versank unter Sandmassen. Allerdings spendete die UNESCO vor einigen Jahren eine aufwändige Entsandungsaktion und sorgte dafür, dass mehr als drei Meter Sand aus Chinguettis Straßen und Häusern herausgeschaufelt wurden. Was für eine Aufgabe. Als die Ruinen der Stadt wieder zum Vorschein kamen, zogen doch glatt in etwa der Hälfte der Häuser wieder Menschen ein.
Chinguetti Nummer drei liegt auf der anderen Seite des Wadi und ist eine eher moderne mauretanische Stadt. Nicht hässlich, aber auch nicht schön. Es gibt einige hübsche Türen und Hausfassaden, die liebevoll verziert sind, aber auch unscheinbare Betonbauten und vor allem einige superdreckige Autowerkstätten.
Ich könnte noch viel mehr über Chinguetti erzählen, über die Bücher, über Gavage, über Sand und UNESCO, aber das tue ich dann etwas ausführlicher in meinem nächsten Buch. Sicher ist es bald soweit.
Eure Beatrice!
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Und wer mit dem Gedanken spielt, selbst in nächster Zeit nach Mauretanien zu fahren: Hier mein Reiseführer.