Dinkelsbühl und Nördlingen – Fachwerk, Schweine und Wehrgänge
Dinkelsbühl ist offenbar eines der Ziele, für die Deutschland außerhalb Europas bekannt ist. Ich habe den Namen schon öfter gehört, mir aber nicht viele Gedanken darum gemacht. So war es wahrscheinlich gut, dass ich irgendwann einfach mal in der Nähe war und mir Dinkelsbühl anschauen konnte.
Auf einem Stadtrundgang habe ich viel über die Stadt gelernt, die durch Tuchherstellung, Steuern und Zölle einst sehr reich wurde. Sehr reich zu sein hat immer seine Vorteile. Dinkelsbühl hatte zum Beispiel durch den obszönen Reichtum der Stadt die Möglichkeit, aus insgesamt acht Belagerungen ohne Beschädigungen hervorzugehen. Wo andere Städte geplündert und niedergebrannt wurden, konnte Dinkelsbühl seine Besatzer und neuen Besitzer stets mit einem mittelgroßen Haufen Gold davon überzeugen, das doch bitte sein zu lassen. Daher ist die Innenstadt von Dinkelsbühl auch nach dem 30-jährigen Krieg unversehrt geblieben. Ein seltenes Glück. Ein Glück auch, dass der 30-jährige Krieg nicht noch länger gedauert hat, denn nach der achten Eroberung ging den Dinkelsbühlern schließlich doch das Geld aus. Zwölf Tonnen Gold sollen im Rahmen dieser groß angelegten Bestechungsserie den Besitzer gewechselt haben.
Dinkelsbühl hat mich mit schönen Fachwerkhäusern überrascht. Außerdem kam mir die besondere Breite der Hauptstraßen ungewöhnlich vor. Für eine mittelalterliche Stadt auf jeden Fall.
In Dinkelsbühl gibt es jedes Jahr das zweitgrößte Metal-Festival Deutschlands. Daher war Dinkelsbühl im August nicht nur voller Fachwerk und mittelalterlicher Geschichten, sondern auch voller Metal-Heads, schwarzer T-Shirts und in meinen Augen sehr guter Musik.
Die zweite Stadt aus dem Mittelalter, die ich bei diesem Ausflug besucht habe, war Nördlingen. Davon hatte ich noch nicht gehört, oder zumindest nicht so oft wie von Dinkelsbühl. Nördlingen ist allerdings bemerkenswert, denn es besitzt die einzige vollständig erhaltene mittelalterliche Stadtmauer mit Wehrgang, der noch immer durchgängig begehbar ist.
Ich bin nur einen Teil davon gegangen und glaube den Werbeplakaten, dass auch die andere Hälfte vollständig intakt ist. Hübsch ist diese Stadtmauer, ein wenig wie in Rothenburg ob der Tauber, nur halt eben ganz erhalten.
Nördlingen ist schon 1100 Jahre alt und wurde 1327 zu einer Messestadt. So eine Messe ist was Tolles, denn dann kommen Händler von überall her und sie bringen einer Stadt Reichtum. Nördlingen hat mitten im Zentrum ein schönes altes Rathaus. Seit 1360 dient es durchgehend als Rathaus, was eine Seltenheit ist. Am Rathaus befand sich im Mittelalter der Pranger. Während der Stadtführung erfahre ich, dass hier unter anderem Bäcker angeprangert wurden, die ihr Brot zu sehr mit Sägespänen gestreckt haben. Je nach Verbrechen wurde man ein paar Minuten, Stunden oder auch Tage hier festgekettet und der Wut der Bürger ausgesetzt. Niemand durfte den Sträfling anfassen oder schlagen, aber ihn mit abschätzigen Worten und unangenehmen Dingen bewerfen. Der Begriff „Ich fühle mich beschissen“, soll hier seinen Ursprung haben.
Wie auch immer. Am Pranger standen auch verheiratete Männer, die im Freudenhaus erwischt wurden. Schaut man sich die Aufzeichnungen der Stadt an, ist dies genau einmal vorgekommen. In all den 1100 Jahren. Wer glaubt‘s?
In Nördlingen gibt es außerdem eine Geschichte, dernach ein Schwein die Stadt vor der Zerstörung gerettet haben soll. Daher stehen überall Schweinefiguren herum. Und es gibt einen winzigen Brocken Mondgestein, welcher von den Astronauten der Apollo 16-Mission zur Erde gebracht wurde. Um dieses winzige Stückchen Stein, das vollkommen unspektakulär aussieht, haben die Nördlinger ein ganzes Museum herumgebaut. Ein interessantes sogar. Darin geht es um Steine, wie sollte es anders sein und um einen Meteoriteneinachlag, der in der Gegend vor 15 Millionen Jahren stattgefunden hat.
In Videos sieht man das ganze Ausmaß des Einschlags und heute das Ergebnis, denn die Erde wurde ganz schön durchgeschüttelt und durcheinander gebracht. Alles Leben in 1000 Kilometern Umgebung war innerhalb von Sekunden vernichtet. Aber nach einer Weile entwickelte sich eine sehr fruchtbare ziemlich runde Landschaft. Cool. Die Amis haben hier Untersuchungen angestellt für ihre Mondmission und offenbar waren die Nördlinger so nett zu ihnen, dass sie nach der Heimkehr ein winziges Stückchen Mond geschenkt bekamen. Naja, nicht ganz geschenkt. Es ist eine Dauerleihgabe. Aber immerhin.
Nun weiß ich auch, dass sich unsere Sonne in etwa 5,4 Milliarden Jahren in einen Roten Riesen und schließlich in etwa 8 Milliarden Jahren in einen Weißen Zwerg verwandeln wird. Glücklicherweise ist es bis dahin ja noch ein Weilchen. Ich habe also noch viel Zeit zum Reisen.
Eure Beatrice!