Eine Reise nach Island ist immer eine riskante Angelegenheit, denn in Island herrscht grundsätzlich ein sehr wechselhaftes und meist unausstehliches Wetter. An einem einzigen Tag können die Temperaturen zwischen minus fünf und plus zehn Grad variieren, Schnee, Regen, Sonne und Wind mischen sich zu einer eigenartigen Sinfonie aus Feuchtigkeit zusammen, der kaum eine Kleidung gewachsen ist. Die bekannteste isländische Bekleidungsmarke wirbt mit dem Sloagan: “There is one place in Iceland, where you should absolutely wear our cloth: outside”. Und das trifft es ganz gut.
Ich habe mich trotzdem ganz entgegen meiner üblichen Reisegewohnheiten (eher Richtung Süden) todesmutig mit dicker Jacke und stabilem Schuhwerk, Regenschirm und Mütze im Mai auf den Weg nach Island gemacht. Immerhin soll es hier Elfen, Trolle, Geysire und Wale geben.
Island hat sich von seiner besten Seite gezeigt und die volle Phalanx an verfügbaren Wettermischungen für mich aufgefahren. Von Graupelschauern über beißenden Wind bis hin zu strahlendem Sonnenschein war alles dabei. In der Regel gab es sogar jeden Tag alle Wetterarten im direkten Vergleich. Im Geysirfeld kam dann zu dem Regen, das von oben und allen Seiten erbarmungslos auf die armen Touristen fiel auch noch das schweflige Gebräu dazu, das alle paar Minuten aus einem Loch in der Erde geschossen kommt. Ein Geysir ist wirklich eine besondere Kuriosität, die mich in begeistertes Staunen versetzt hat.
Mitten in Island kann man sich mit einem Bein auf die eurasische und mit dem anderen Bein auf die amerikanische Kontinentalplatte stellen. Jedes Jahr muss man die Beine etwa 2cm weiter auseinander schieben, denn hier ist die Entstehung der Erde noch in vollem Gange. Während sich alle anderen Kontinente und Länder schon weitestgehend für ihre Form und ihre Landschaften entschieden haben, scheint sich Island noch nicht ganz sicher zu sein. Alle paar Jahre bricht im Rahmen dieser Umgestaltung mal ein Vulkan aus und ebnet ganze Landschaften ein, kreiert neue Lavafelder oder läßt wilde Gletscherläufe auf die Umgebung los, die sich unbarmherzig neue Wege bahnen.
Einen Gletscher von nahem zu sehen ist in Island nichts Ungewöhnliches. Ich habe mich einmal zu Fuß und einmal auf einem Amphibienfahrzeug auf den Weg zum Ende einer Gletscherzunge gemacht. Dort wo der Gletscher kalbt und die “Kälber” dann auf einem eiskalten Gletschersee in der Sonne glitzern, kann man ganz besondere Fotos machen. Die “Kälber” sind Eisberge, die teils Jahrhunderte alt sind und deren Eisschichten von den dunklen Schichten der Asche verschiedener Vulkanausbrüche durchsetzt sind. Sie sehen ein wenig aus wie riesige Brocken Vienetta Eiscreme.
Im Norden der Insel besuche ich die eindrucksvolle Lavaformation Dimmuborgir, die nach der Heavy Metal Band benannt ist. Ach nein, es war wohl eher umgekehrt. Auf jeden Fall versteht man in Dimmuborgir zwischen Schnee und schwarzen bizarren Felsen sofort, warum sich Metalbands nach einer solchen Lokalität benennen. Auch Namaskard ist teuflisch und Metal-geeignet. Nur, dass es hier höllisch nach Schwefel stinkt. Überall dringt übler Gestank aus Löchern und Ritzen im Boden und man freut sich fast über den heftigen Wind. Ohne den Wind, wären Teile Islands wegen Schwefelgestanks unbewohnbar.
Die ein oder andere Attraktion muss dann leider wegen meterhohen Schnees ins Wasser (in diesem Fall gefrorenes Wasser) fallen. Das Baden in der blauen Lagune, einem mit 40 Grad heißem Schwefelwasser gefüllten mehr oder weniger natürlichen Becken hingegen ist trotz oder gerade wegen des Schnees ein besonderes Erlebnis. Obwohl ich den Hinweis, ich solle meinen Silberschmuck beim Baden in der Lagune abnehmen, brav befolgt habe, ist all mein Silber am Ende der Reise tief schwarz angelaufen. Das liegt wohl einfach daran, dass das warme Wasser, das aus dem Hahn kommt ebenfalls schweflige Brühe direkt aus dem Erdinnern ist. Soll ja sehr gut für die Haut sein. Man muss halt nur nach dem Duschen ein wenig lüften.
Die freundliche Reiseleiterin Thorhildur weiht mich in die Welt der Mythen und Sagas Islands ein und gibt jedes Mal einen passenden Gesang zum Besten. Immer wieder werden Straßenbauprojekte abgeändert, wenn sich herausstellt, dass die geplante Strecke durch eine von den unsichtbaren Elfen bewohnte Gegend führt. Auf einem dieser Umwege kommen wir an den Wäldern Islands vorbei, die keinem Menschen, der jemals einen Wald gesehen hat, als solcher aufgefallen wären. Struppige, kümmerliche und ebenso mikrige wie schiefe Birken erreichen hier eine stolze Höhe von manchmal bis zu drei Metern. Was mich nur zu einem müden Naserümpfen veranlaßt, weckt in Thorhildur einen seltsamen Nationalstolz. Es wird nichts Negatives über die isländischen Wälder gesagt.
Die Isländer sind ein ganz eigenes Völkchen, das bei 8 Grad die Sandalen und kurzen Hosen auspackt. In jedem Dorf gibt es ein Freibad mit Schwefelwasser und die Hälfte der Bevölkerung glaubt an Elfen. Ich kann euch Island also nur wärmstens (bzw kältestens) ans Herz legen. Die Natur hier ist einfach atemberaubend.
Eure Beatrice!