Buenos Aires, die Stadt der guten Lüfte, präsentiert sich mir am ersten Tag mit allem anderen als angenehmer Luft. Es regnet und es ist windig und kalt. Vera, meine Begleiterin, die wie ihr Kollege aus Uruguay sehr gut deutsch spricht (nicht ganz so perfekt), schiebt diese Wetterbedingungen auf den kürzlich in Chile ausgebrochenen Vulkan. Dessen Asche ist also daran schuld, dass es in Buenos Aires heute regnerisch ist.
In den folgenden Tagen verwöhnt mich Buenos Aires allerdings mit strahlendem Sonnenschein, wenn es auch nicht allzu warm wird. Naja, das ist nicht die Schuld der Stadt. Ich hätte ja nicht im Herbst kommen müssen. Ich sehe mir das Gebäude an, auf dessen Balkon Eva Peron ihre Reden gehalten hat. Dann besuche ich das Grab von Eva Perón, die im Familiengrab ihrer Eltern beigesetzt ist, weil Perons dritte Frau nicht wollte, dass sie zusammen mit ihrem gemeinsamen Ehemann begraben wird. Vera sagt, dass in dieser Sache das letzte Wort noch nicht gesprochen ist und dass Isabella schließlich irgendwann sterben wird. Bislang kann man Evita auf jeden Fall in Recoleta auf dem wohl schönsten Friedhof der Welt besuchen. Ich bin echt begeistert von den Grabmälern, die allesamt etwas von einem Eigenheim haben. Zumindest sind viele von ihnen prachtvoll und man zahlt Grundsteuer wie für ein Haus.
Während ich die Kathedrale, den Flohmarkt von San Telmo mit seinem geschäftigen Treiben und die professionellen Hundeausführer in den Parks der Stadt bestaune, lerne ich einige freundliche Menschen kennen. Ein netter Saxophonist nimmt mich auf seinem Motorrad mit durch die ganze Stadt, obwohl er kein Wort Englisch kann und mein spanisches Gestammel ihm sicher merkwürdig vorkommt. Schließlich treffe ich noch einen jungen Argentinier, der sehr gut Englisch kann und der mir die himmelschreienden sowie die subtilen Unterschiede zwischen spanischem Spanisch und argentinischem Spanisch erklärt. Danke Matias, ich werde trotzdem weiterhin fast alles falsch machen.
Auffällig zwischen den ganzen Kolonialbauten, Prachtstraßen und Parks ist, dass in Buenos Aires eigentlich immer irgendwo demonstriert wird. Das Auswärtige Amt rät ja immer dazu, sich von politischen Demonstrationen weitestgehend fern zu halten. In Buenos Aires ist das gar nicht so einfach. Ich muss an einer Demonstration für die Rechte und Landansprüche der indigenen Bevölkerung im Norden des Landes mehrere Male vorbei, weil ich sonst mein Hotel nicht hätte erreichen können. Einer riesigen Kundgebung für die Legalisierung von Cannabis kann ich quasi nicht aus dem Weg gehen, weil sie am Sonntag nahezu alle historischen Monumente in Beschlag genommen hat. Ich begegne einer Versammlung, die für die Rechte der pensionierten Soldaten aus irgendeinem Krieg eintritt und einer Gewerkschaftsdemo. Zu meiner großen Erleichterung bleiben sie alle friedlich.
Auf Anraten von Vera hin setze ich mich auch noch über die zweite goldene Regel des Auswärtigen Amtes hinweg: bloß kein Geld auf dem Schwarzmarkt tauschen! Vera versichert mir, dass sie die besten Schwarzmarktteilnehmer kennt und dass ich dumm wäre, wenn ich Geld zum offiziellen Wechselkurs tauschen würde. Dank der hohen Inflation tut das niemand. Es sollte außerdem kein Problem geben, denn der Schwarzmarkt heißt hier blau! Die Tageszeitungen drucken sogar den offiziellen Kurs des blauen Marktes neben dem staatlichen Wechselkurs ab.
Da Buenos Aires eines der Drehkreuze in Südamerika ist, ist es durchaus möglich, dass ich mich eines Tages wieder hierher verirren werde. Dann werde ich sicherlich anhalten und der Stadt einen zweiten Besuch abstatten. Vielleicht demonstriere ich dann für oder gegen die Umbettung von Evita, der heimlichen Nationalheldin. Ich an ihrer Stelle würde auf diesem wunderschönen Friedhof bleiben wollen.
Eure Beatrice!