Wie schon vor vier und vor zwei Jahren machen wir uns Anfang Juni wieder bereit für ein Wochenende voller lauter Musik, betrunkener Festivalgäste und den unvergleichlichen Charme eines Rockfestivals Rock am Ring 2015 in der Eifel. Zwar hat sich die Location vom Nürburgring um etwa 30 Kilometer nach Nordwesten verschoben, aber Mendig ist leider geographisch und damit auch klimatisch betrachtet zur Eifel. Dass die Wettergötter der Eifel nicht wohl gesinnt sind, wissen wir ja noch vom letzten Besuch.
Die Götter der Rockmusik meinen es wie immer gut mit der Eifel: einige Weltstars geben sich die Ehre. Den Freitagabend verbringen wir bei zunächst strahlendem Sonnenschein mit Rise Against. Während die Sonne dann langsam untergeht, sorgen die Toten Hosen für gute Laune und grölende Massen. Leider müssen wie die alten Herren aus Düsseldorf vorzeitig ihrem Schicksal überlassen, denn auf der anderen Bühne schreit sich Marylin Manson die Seele aus dem Leib – und das möchte ich unter keinen Umständen verpassen. Er hat sich gerade mal warm geschrien, als am Himmel helle Blitze zu erkennen sind. Während zwei Songs hoffen wir noch, dass dieser Kelch an uns vorüber gehen möge, aber dann fallen aus dem metaphorischen Kelch Regentropfen auf uns herab, die etwa so groß wie Tischtennisbälle sind. Wir flüchten ins Zelt, wo sich gerade Body Count auf ihren Auftritt vorbereiten. Obwohl die Akustik im Zelt leider katastrophal ist, erkenne ich die Songs, die ich in den frühen 90er Jahren mit Vorliebe gehört habe.
Wütende Gesänge und schräge Gestalten
Die wütenden Gesänge von Ice-T sind noch nicht ganz verklungen, als wir eine vermeintliche Regenpause dazu nutzen wollen, zurück zum Parkplatz zu gehen. Als wir das Auto erreichen sind wir so nass, dass man uns ausdrehen könnte.
Samstag: Pause. Während wir uns wie verrückt über das Wunder freuen, uns keine Lungenentzündung zugezogen zu haben, lesen wir mit Entsetzen in der Zeitung, dass in der Nacht sechs Personen ins Krankenhaus gebracht werden mussten, weil sie durch Blitzeinschläge verletzt worden waren. Meine Güte!
Sonntags sind wir wieder in voller Montur und guter Laune am Start. Am frühen Nachmittag betreten wir das Festivalgelände und wundern uns darüber, dass uns schon hunderte von erschöpften und körperlich wie seelisch zutiefst beeinträchtigten Menschen mit Sack und Pack entgegen kommen, um sich für dieses Jahr geschlagen zu geben.
Auf dem Festivalgelände laufen auch bei Rock am Ring 2015 die üblichen Gestalten herum. Ich sehe einen Mann im Einhornkostüm, eine dickliche Biene, mehrere Drachen und rosa Bärchen sowie eine Menge Menschen, die kryptische Botschaften auf großen Pappschildern verbreiten. Ein junger Mann trägt nichts als eine Badehose und ein Wolfsfell. Ein anderer schwingt voller Begeisterung eine schwedische Flagge. Als eine Frau von der Bühne aus die Frage „Wer von euch hat geduscht?“ in die Menge schreit, heben sich erschreckend wenige Hände!
Laut, hart, schnell und einfach „fucking“ zauberhaft!
Lamb of God begrüßen uns mit ihren lieblichen Klängen während sich Sonne und Wind auf eine erträgliche Weise die Waage halten. Parkway Drive, die ich bisher nicht gekannt hatte, stehen ihren Vorgängern in nichts nach und brüllen was das Zeug hält. Auch In Flames, von denen ich in der Vergangenheit schon mal enttäuscht war, liefern eine durchaus bewegende Vorstellung ab. Der Boden bebt auch 50 Meter von der Bühne entfernt. Von den Foo Fighters bekommen wir nur sehr wenig mit, denn wir haben Hunger und wollen außerdem sehen, wie sich die Herren von Motörhead in ihrem hohen Alter auf der Bühne schlagen.
Der krönende Abschluss dieses Sonntags ist die Vorstellung von Slipknot, die es sich nicht nehmen lassen, pünktlich um Mitternacht die Bühne zu betreten. Sie wissen einfach, wie man einen grandiosen Auftritt inszeniert: sie sehen schaurig aus, entlocken ihren Instrumenten und Kehlen die grässlichsten Geräusche und fluchen, was das Zeug hält. Du musst es schon weit gebracht haben, wenn dir tausende von Menschen voller Begeisterung zujubeln, während du sie wüst beschimpfst und keinen Satz mit weniger als drei Schimpfworten loslässt. Wir genießen Schimpfworte und Musik und mit uns verlassen wohl die zwei einzigen Personen, die nicht unter Alkoholeinfluss stehen, das Festivalgelände. Als ich um 6:30 Uhr am Montagmorgen nach nur zweieinhalb Stunden Schlaf ungläubig und – inspiriert von Slipknot – wortreich meinen Wecker verfluche, fühle ich mich fast wie ein Rockstar! So gesehen hat der Ausflug zu Rock am Ring 2015 eine ähnliche Wirkung wie eine Fernreise mit fiesem Jetlag.
Eure Beatrice!
Wie war es vor zwei Jahren bei Rock am Ring? Lies mehr: Rock am Ring 2013.