In Atlanta findet man eine geniale Marketingstrategie und einen amerikanischen Helden
Alles, was ich über Atlanta wusste, war, dass zwei legendäre Berühmtheiten aus dieser Stadt kamen: nämlich Dr. Martin Luther King Jr. und Coca Cola. Damit hatte ich also schon zwei Ziele in der Hauptstadt von Georgia.
Die Coca Cola World ist erwartungsgemäß eine Hommage an den Zucker. Es werden Videos gezeigt, die unwiderlegbar beweisen, dass Coca Cola die Menschheit fest im Griff hat, dass quasi alle diese flüssige Süßigkeit lieben. Es wird ein Riesenwirbel um die supergeheime Formel gemacht, die bisher noch niemand knacken konnte. Ein paar Gerüchte werden gestreut, zum Beispiel das, dass es nur zwei Menschen auf der Welt gibt, die das Rezept kennen und dass diese beiden Personen nicht gemeinsam in einem Zug oder Flugzeug reisen dürfen. Interessant ist, dass die Formel einst für 2.300 Dollar verkauft wurde und die Firma Coca Cola dann Anfang des 20. Jahrhunderts für 25 Millionen weiterverkauft werden konnte.
Alles in allem lernt man in der World of Coca Cola sehr viel über eine absolut geniale Marketingstrategie und darüber, wie man mit gezielter Werbung, die überhaupt nichts mit dem eigentlichen Produkt zu tun hat, unglaublich erfolgreich eine Nachfrage für ein Produkt kreiert, das wirklich niemand braucht. Faszinierend. Zudem ist die Abteilung interessant, in der man an die 50 verschiedene Sorten Limonade probieren kann und sich eine Zuckerüberdosis verschaffen kann.
Weitaus weniger heiter geht es in dem Museum zu, das sich mit der Lebensgeschichte von Dr. Martin Luther King befasst. Er ist in Atlanta geboren. Sein Geburtshaus kann hier ebenfalls besucht werden. Das eigentliche Museum steht gegenüber der Ebenezar Kirche, in der er gepredigt und gearbeitet hat. Neben der Kirche sind Dr. King und seine Frau Coretta in Marmorsarkophagen beigesetzt. Eine ewige Flamme erinnert die Menschheit daran, dass die beiden für den Frieden und die Menschenrechte gekämpft haben.
Das Museum beginnt damit, die Situation in den 60er Jahren in den USA zu beschreiben. Hier ist von Rassismus, von Hass und von Ungerechtigkeit die Rede. Als Beispiel werden zahlreiche Gesetze genannt, die – nachdem die Sklaverei ja abgeschafft war – dafür sorgten, dass die schwarze Bevölkerung nicht dieselben Rechte hatte, wie die weiße und dafür, dass die Rassen getrennt voneinander blieben. In fast allen Staaten war die Eheschließung zwischen den Rassen verboten. In Georgia war es ausdrücklich verboten, dass ein schwarzer Friseur einer weißen Frau die Haare schnitt. In Oklahoma gab es Telefonkabinen für Weiße und Telefonkabinen für Schwarze. In Alabama war es verboten, beim Pool Billard in gemischten Teams aus Schwarzen und Weißen zu spielen. In Louisianna wurden sogar die schwarzen Blinden und die weißen Blinden voneinander getrennt, was besonders wenig Sinn macht und fast lustig wäre, wenn es nicht so traurig wäre. In Georgia durften Menschen verschiedener Rassen nicht im selben Raum Alkohol trinken. Natürlich gab es getrennte Schulen, wobei die schwarzen Kinder andere und schlechtere Schulbücher hatten. Es gab sogar im Zoo Tage, an denen nur Schwarze oder nur Weiße hinein durften. Ganz zu schweigen von der Regel, dass sie im Bus getrennt sitzen mussten.
Nach dieser Einführung in die Materie ist man als Museumsbesucher in einem Gefühlszustand zwischen schockiert, entrüstet, traurig und stinkwütend (je nachdem, wie viel man vorher schon zu dem Thema wusste, was laut meinem Begleiter in den USA bei den meisten Amerikanern nur wenig ist). Dann dreht sich die Ausstellung um Dr. King und seinen Kampf für das Wahlrecht der Schwarzen und gegen die Segregationsgesetze. Ich kann nur staunen, wie er es geschafft hat, im Angesicht all des Hasses der ihm entgegen schlug seiner Devise des gewaltlosen Widerstandes treu zu bleiben. Ich hätte das nicht geschafft. Daher ist er einer der großen Helden Amerikas und daher wird er im Gegensatz zu anderen Kämpfern für die Gleichberechtigung wie Markus Garvey und Malcolm X selbst von denjenigen, die noch heute den Rassismus gerne ignorieren würden, halbwegs geachtet. Zumindest erscheint er in den Geschichtsbüchern.
Mit dem unguten Gefühl, dass im Kampf gegen den Rassismus noch lange nicht das letzte Kapitel aufgeschlagen wurde, besichtigen wir dann noch die hochmoderne Innenstadt von Atlanta, finden gutes mexikanisches und sogar hervorragendes äthiopisches Essen. Schließlich ist Atlanta ein Schmelztiegel und eine internationale Großstadt. Verrückterweise treffen wir am Abend bei einem Spaziergang sogar einen Herrn zu Pferde an, der auf einem der wenigen ausgewiesenen Fahrradwege unterwegs ist. Atlanta ist nun mal sehr vielseitig.
Eure Beatrice!