Brügge sehen aber nicht sterben
Die schöne belgische Stadt Brügge liegt gerade mal drei Stunden von meinem Zuhause entfernt. Trotzdem habe ich fast 40 Jahre gebraucht, um einmal dahin zu fahren. Ich hatte schon viel über Brügge gehört, hauptsächlich, dass es im Grunde so schön ist wie Brüssel, nur eben kleiner und deshalb romantischer. Nun kenne ich mich mit Romantik so überhaupt nicht aus und konnte mit dieser Beschreibung nichts anfangen. Ein weiterer Grund, mir Brügge persönlich anzusehen.
Ich hatte mir für meinen Besuch in Brügge ein für meine Verhältnisse untypisch teures und elegantes Hotel ausgesucht. Das Gebäude stammte aus dem 18. Jahrhundert, hatte eleganten Stofftapeten, goldenen Polstersesseln und eigenartige Skulpturen. Die gewölbeartigen Kellerräume, in denen ein großzügiges Frühstück mit frischen Himbeeren und Erdbeeren, sechs verschiedenen Brotsorten und interessanterweise Feigen serviert wird, waren bereits im 14. Jahrhundert hier. Damals jedoch vermutlich ohne Feigen. Der Herr, dem das Etablissement gehört, scheint auch aus einem anderen Jahrhundert zu stammen. Auf jeden Fall ist er fast schon altmodisch höflich.
Mein erster kleiner Ausflug führt mich zum berühmten großen Markt von Brügge. Auf dem Weg dahin komme ich an einem kleinen Laden dabei, der von Chinesen geführt wird und für Überhöhte Preise belgisches Bier anbietet. Es gibt mindestens 60 Sorten zur Auswahl, weshalb ich ein paar Minuten brauche. Da ich nichts gewöhnt bin, kann ich es mir nicht leisten, mehrere Biere auszuprobieren und dabei bei Sinnen zu bleiben. Ich entscheide mich für einen Klassiker: Floris mit Maracujageschmack. Und dann trinke ich dieses Bier (zugegebenermaßen ein Bier für Banausen) auf dem berühmten Marktplatz. Ich genieße es, den Menschen dabei zuzusehen wie sie unermüdlich Selfies und peinliche Instagram-Posen-Fotos schießen, obwohl das abendliche Licht längst nicht mehr fürs Fotografieren ausreicht. Außerdem genieße ich es, die der Sonne dabei zuzusehen, wie ihre Strahlen immer schwächer und ihr Licht immer rötlicher wird. Sie taucht den Marktplatz in ein tolles Licht und ich frage mich, ob das wohl die Romantik ist.
Den Samstag verbringe ich dann damit, meine 25.000 Schritte zu gehen und dabei möglichst viel von Brügge zu sehen. Ich folge den Kanälen, schmunzele über die asiatischen Touristen auf den kleinen Booten durch die Kanäle geschippert werden und allen zuwinken, die auf einer Brücke stehen. Es wimmelt in Brügge von hübschen alten Fassaden, von Kirchen und Gebäuden aus Backsteinen. Ich finde ein hervorragendes syrisches Restaurant, um mich zu stärken.
Einige Gebäude sind besonders auffällig. In einer der Kirchen erlebe ich versehentlich eine Zeremonie mit, bei der eine Reliquie in acht Sprachen verehrt wird. Dann stellen sich alle in eine Reihe, um an der Reliquie vorbei zu spazieren und sie ehrfürchtig anzustarren. Ungefähr so ehrfürchtig starre ich ein paar Stunden später auf ein köstliches Massaman Curry in einem wirklich authentischen Thai-Restaurant.
Wenn Ihr einen Abstecher nach Brügge macht, lohnt sich auch ein kleiner Abstecher nach Gent. Da gibt es eine prachtvolle Kirche am Rande der Altstadt. Sie ist wirklich eindrucksvoll. Riesig, fast wie Notre Dame und voller schwarzem und rotem Marmor. Dutzende unheimlich wichtige Menschen sind hier begraben. Es ist immer wieder erschütternd, wie stinkreich die katholische Kirche mit mehr als fragwürdigen Methoden geworden ist und dass es immer noch Menschen gibt, die ihr Geld geben. Aber prachtvoll sind diese alten Gemäuer allemal.
Ich mag Belgien. Beide Hälften!
Eure Beatrice!