Canterbury – Wie die britische Kirche entstand
Canterbury liegt südöstlich von London im Süden von England und damit in einer Region, die voller Geschichte steckt. Schon auf dem Weg dorthin erfuhr ich viel über Großbritannien. Zum Beispiel hat Canterbury eine Rolle bei der Entstehung der englischen christlichen Kirche gespielt, denn die Briten sind ja mehrheitlich Anhänger der anglikanischen Kirche, nicht katholisch oder evangelisch, wie bei uns.
Die Geschichte ist ziemlich klasse und zeigt mal wieder, dass Religion nur ein Mittel der Machtausübung war und ist. Henry VIII. war katholisch. Er war verheiratet. Alles war prima, bis er feststellen musste, dass seine Angetraute ihm nur eine Tochter schenkte. Kein Sohn bedeutete, dass er keinen Thronerben hatte und das was damals ein richtiges Problem. Also schrieb er an den Papst und bat diesen, eine Ausnahme von den strengen katholischen Regeln zu machen. Er wollte die Scheidung, aber natürlich eine Scheidung, die von der katholischen Kirche offiziell anerkannt wurde. Der Papst war nicht einverstanden.
Also beriet sich Henry VIII. mit seinen Anwälten und Vertrauten. Diese erklärten ihm den elegantesten Weg aus der Misere: Du gründest einfach deine eigene Kirche, annektierst die Ländereien der katholischen Kirche und machst dann deine eigenen Regeln. Henry war erstaunt und begeistert zu hören, dass es offenbar so einfach war. Gesagt, getan. England bekam seine eigene Kirche. Henry konnte seine zweite Frau ehelichen, denn die erste Ehe war ja nur von der katholischen und nicht von der richtigen Kirche geschlossen.
In die Bredouille kam er erst wieder, als diese zweite Frau ebenfalls nur eine Tochter zur Welt brachte und er sich von dieser Frau auch wieder scheiden lassen wollte. Eine weitere neue Kirchgründung kam nicht infrage, also ließ er die zweite Ehefrau einfach köpfen. Bis dass der Tod euch scheidet. Auch eine Lösung. Wieso war ihm das nicht schon früher eingefallen?
Mit all den schönen Geschichten über den pragmatischen Henry im Kopf erreichte ich also Canterbury, ein gemütliches Städtchen, das eine einzige Besonderheit hat: mitten drin steht eine Kathedrale von der Größe des Kölner Doms. Ein Riesenungetüm, das hier vollkommen überdimensioniert wirkt. Hier wurde Thomas Becket erschlagen, ein Bischof von Canterbury, der ein Jugendfreund von Heinrich II. gewesen war. Diese Freundschaft hatte ihm das Bischofsamt eingebracht, was damals eine ziemlich klasse Sache war. Nach einem Zerwürfnis, das damit zusammenhing, dass Becket sein Kirchenamt sehr ernst nahm und Heinrich eher so der Partygänger war, ließ Heinrich seinen ehemaligen besten Freund ermorden. In der Kirche! Undenkbar, denn die Kirchen galten als gewaltfreie Zonen. Für Thomas Becket kam alles zu spät, aber Heinrich musste zu Kreuze kriechen. Immerhin wurde Becket später heilig gesprochen.
Zurück zu dieser gigantischen Kirche. Sie ist riesig, voller Prunk und Schätze, mit Dutzenden kleiner Kapellen und voller Gräber, auf denen Figuren in Marmor oder Granit zeigen, wer darin liegt. Der Stelle, wo Becket gewaltsam starb, ist in besonderer Weise vervorgehoben. Ein paar Tropfen von Beckets Blut haben die Mönche damals aufgefangen und diese befinden sich heute als Reliquie in der Kathedrale.
Fahrt unbedingt mal hin, denn vor allem im Sommer ist Canterbury richtig toll. Es gibt Food Trucks und ein paar schmucke alte Häuser. Und natürlich diese riesige Kathedrale.
Eure Beatrice!