Weltwunder mit blutiger Geschichte und vielen Konjunktiven
Unter allen Mayastätten in Lateinamerika ist Chichen Itzá wohl die bekannteste und das spätestens seit sie 2007 im Rahmen einer weltweiten Wahl der UNESCO von der Weltbevölkerung (oder zumindest den Teilen der Weltbevölkerung, die Internetzugang hatten) zu den sieben neuen Weltwundern gewählt wurde. Seither boomt der Tourismus noch mehr.
Wer nach Chichen Itzá fährt, der muss sich auf einen ziemlich großen Ansturm an Touristen aus aller Welt gefasst machen. Ich hatte mich verhältnismäßig früh aus dem Bett gequält und musste auch recht früh am Morgen eine geschlagene Stunde am Ticketschalter Schlange stehen. Wenige Minuten nachdem ich diesen unangenehmen Teil des Tages hinter mir habe, stehe ich bereits vor der Hauptattraktion von Chichen Itzá, der 30 Meter hohen Kukulkan Pyramide. Hunderte von Menschen machen Selfies von dem teilweise restaurierten Gebäude. Je nachdem, von welcher Seite man die Pyramide betrachtet sieht man entweder eine verfallene alte Mayapyramide oder eine, die wie neu aussieht. Die Restauratoren haben sich viel Mühe gegeben.
Außer der berühmtesten aller Mayapyramiden stehen allerdings auch zahlreiche andere Bauwerke auf dem großen Gelände. Die Reliefs sind zum Teil noch so gut erhalten oder auch restauriert, dass man die Mayakrieger und die Ballspieler erkennen kann, die die Köpfe anderer Mayakrieger oder Ballspieler in der Hand halten. Die Guides, die umher laufen erklären ihren Zuhörern in verschiedenen Sprachen ihre unzähligen Theorien über das, was hier dargestellt ist. Die einen behaupten, dass die alten Maya nie jemanden geopfert hätten und handzahme liebenswerte Wesen waren. Andere bieten die blutigsten Stories dar, die man sich vorstellen kann.
Je nach Guide wurden entweder die Verlierer oder aber die Sieger im Ballspiel den Göttern geopfert, weil man natürlich den Göttern keine Looser anbieten kann. Beides ist vorstellbar. Im Grunde ist alles vorstellbar und selbst die offiziellen Hinweistafeln, die historische Fakten vermitteln sollen, benutzen außergewöhnlich oft den Konjunktiv, mutmaßen, schätzen und vermuten, was es mit den einzelnen Gebäudeteilen wohl auf sich hat.
Auch die Regeln des Ballspiels erklären die verschiedenen Guides. Und zwar jeder nach seiner eigenen Interpretation. Manche behaupten, dass der Ball mehrere Kilogramm schwer gewesen war und gerade so durch die steinernen Ringe gepasst hat, die in erstaunlicher Höhe hier am Ballspielplatz von Chichen Itzá hängen. Als ob das alles nicht schon erstaunlich genug wäre, sind sich fast alle einig, dass die Spieler den Ball nur mit der Hüfte und vielleicht mit den Knien oder Schultern befördern durften. Ich muss bei dieser Vorstellung schwer daran zweifeln, dass hier jemals ein Punkt erzielt wurde… aber Glaube versetzt bekanntlich Berge, warum dann also nicht auch schwere Bälle.
Ich war ja vor 6 Jahren schon einmal hier in Chichen Itzá. Trotzdem hat mich die Anlage wieder einmal begeistert. Das einzige, was sich wirklich verändert hat, ist die explosionsartige Vermehrung der Souvenirhändler auf dem Gelände. Ihre Anzahl ist exponentiell von etwa zehn auf mehrere hundert angestiegen. Die alten Gebäude stehen noch immer fest und beharrlich, was sie ja auch schon deutlich länger als sechs Jahre tun.
Definitiv einen Besuch wert!! Am besten früh am Morgen. Und nehmt euch mindestens zweieinhalb Stunden Zeit, besser etwas mehr.
Eure Beatrice!
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