Die Ciudad Perdida, the Lost City, die verlorene Stadt… das war das eigentliche Ziel meiner Kolumbienreise im Februar. Es hörte sich alles ganz nett und ein wenig abenteuerlich an. 46 Kilometer in vier Tagen im Wald zu spazieren, ein wenig Camping und irgendwo im Dschungel dann die Stadt zu besuchen, die die spanischen Kolonialherren nie gefunden haben.
Ich war also in Santa Marta um diese aufregende Tour zu einem Ort zu unternehmen, den wegen der beschwerlichen und langen Anreise nur sehr wenige Touristen bisher besucht haben. Unglaublicherweise hatte ich sogar einen Mitreisenden gefunden, der bereit war, mit mir zur Ciudad Perdida aufzubrechen. Als wir in Santa Marta mit 10 anderen Abenteurern aus aller Herren Länder in einen unbequemen Geländewagen gepfercht wurden, der uns dann zwei Stunden lang über Stock und Stein in ein winziges Dörfchen beförderte, waren wir uns noch nicht bewusst, dass wir diese unangenehme Art des Reisens wenige Stunden später bereits vermissen würden. In dem Dorf gab es zunächst ein stärkendes Mittagessen, einen kurzen Ausblick auf das, was uns erwartet und dann ging es los.
Die Leute aus aller Herren Länder marschierten los und wir hatten sie schnell aus den Augen verloren, während wir uns steil bergan kämpften. Kurz hinter diesem Kaff hörte nämlich die letzte Straße auf und der Dschungel begann. Die ersten Moskitos begrüßten uns, aber die Sonne versteckte sich gnädigerweise an diesem ersten Tag hinter ein paar Wolken. Als wir am frühen Abend kurz vor Sonnenuntergang das erste Camp erreichten, waren wir schweißgebadet und erschöpft. Und wenn ich sage, schweißgebadet, dann meine ich das auch. Ich habe noch nie in meinem Leben so viel geschwitzt. Sicher habe ich ein Kilo abgenommen. Die einfachen Holzbetten mit dünnen Matratzen und Fliegennetzen erschienen uns wie eine Wohltat und den Rucksack endlich abzustellen, war eine Wohltat sondergleichen.
Um fünf Uhr am nächsten Morgen ging es weiter und die 16 Kilometer, die an diesem zweiten Tag auf dem Programm standen, waren wohl die beschwerlichsten 16 Kilometer, die ich je zurückgelegt habe. Der Marsch durch den dichten Urwald, mittlerweile in sengender Sonne, war doch einfach etwas ganz anderes als 20 Kilometer in Paris oder New York herumzulaufen.
Der dritte Tag begann noch vor fünf Uhr in der Frühe. Nun stand der Aufstieg zur Ciudad Perdida an. Aufstieg ist in diesem Sinne sehr wörtlich zu nehmen, denn das Camp befindet sich auf 800 Höhenmetern und die verlorene Stadt nur einen Steinwurf davon entfernt, aber auf 1200 Höhenmetern. Man muss also nur etwa 1000 Stufen hinauf gehen. Das fiel mir jedoch nicht allzu schwer, weil ich endlich meinen Rucksack im Camp zurücklassen durfte. Oben angekommen gibt es dann tolle Ausblicke auf die Ruinen, die wirklich liebevoll restauriert wurden. Es ist ein magischer Ort und die ganzen Geschichten von Marihuana Plantage, Koka-Anbau, Rebellen, Entlaubungsgiften und paramilitärischen Gruppen, die hier jahrelang Angst und Schrecken verbreitet und das Gebiet für Touristen unzugänglich gemacht hatten, tun das ihre dazu, diesen Ausflug zu etwas ganz Besonderem zu machen.
Ein Besuch beim hiesigen Schamanen stand auch auf dem Programm und hier gibt es noch mehr Geschichten zu hören über die Ureinwohner des Tayrona Nationalparks. Bevor wir uns auf den beschwerlichen Rückweg machen, steht noch ein kurzes Bad im eisig kalten Fluss auf dem Programm. Das Wasser der kleinen Bäche, die direkt aus den Bergen der Sierra Nevada kommen, ist jedoch wirklich eisig kalt. Da das Wasser auch zum Duschen in den Camps dient, ist es jeden Abend eine Art Mutprobe, sich zu waschen.
Nach vier entbehrungsreichen Tagen, kalten Nächten, noch kälterem Wasser, einem schweren Rucksack, grausamen schlammigen Berghängen, wirklich riesigen Insekten, dem Gefühl, nicht mehr zu den jungen Sportlern zu gehören und einer außergewöhnlichen archäologischen Ausgrabungsstätte mitten im Urwald fühlt sich die kalte (aber eben nicht so wahnsinnig kalte) Dusche in Santa Marta wie eine Wellnessbehandlung an. Mein Reisebegleiter hat seither ein Vetorecht gegen alle Treckingreisen, die in irgendeiner Weise einem viertägigen Bootcamp gleichen. In Zukunft werden wir wohl eher in zivilisierteren Gegenden unterwegs sein!
Eure Beatrice!