Darjeeling – Wo Indien weniger indisch wirkt
Den Namen Darjeeling kennt jeder. Viele wissen, dass es sich um eine Stadt in Indien handelt. Die meisten kennen Darjeeling Tee, den es in jedem deutschen Supermarkt gibt. Und viele kennen den Wes Anderson Film Darjeeling Limited. Ich liebe diesen Film, musste allerdings herausfinden, dass er überall außer in Darjeeling gedreht wurde. Nun, das hat meiner Begeisterung für das echte Darjeeling keinen Abbruch getan.
In Darjeeling gibt es Tee. Das ist kein Märchen. Sogar richtig viel Tee. Was es etwas weniger gibt, sind Inder. Natürlich sind hier fast alle offiziell Inder, aber die Mehrzahl der Bewohner stammt entweder aus Nepal oder aus Tibet. Die Nepalesen sind schon im 19. Jahrhundert hierher gekommen und zwar als Gastarbeiter für die Briten, die unheimlich viele Menschen brauchten, um ebendiesen Tee zu pflücken und zu verarbeiten.
Die Tibeter sind weniger freiwillig nach Darjeeling gekommen. Also natürlich sind die freiwillig nach Darjeeling gekommen, aber sie wären wahrscheinlich lieber gar nicht erst aus Tibet vertrieben worden. Das war 1959 und in den folgenden Jahren. Die meisten Tibeter hier in Darjeeling sind noch nie in Tibet gewesen. Sie leben und arbeiten hier, haben ihre Klöster und Schulen, sprechen ihre Sprache und dürfen ihre Flagge zeigen, was in Tibet nicht möglich ist.
Die Klöster sind ein Grund, um diese Region Indiens zu besuchen. Die Tibeter sind es wohl auch, warum ich mich hier in Darjeeling so wohl fühle. Sie haben so eine friedliche Atmosphäre. Ich bin wahrscheinlich voreingenommen. Aber anders als in Delhi oder Rajasthan beachtet mich in Darjeeling niemand, obwohl ich eine von vielleicht einem Dutzend europäischen Touristen bin.
Die Nepalesen mag ich auch. Die kochen auch so gut!
In Darjeeling gibt es nicht nur Tee, sondern auch jede Menge britisches Erbe, darunter den Toy Train, offizieller die Darjeeling Himalaya Railway. Ich fahre insgesamt 13 Kilometer mit diesem Zug, was etwa eine Stunde dauert. Die alte Schmalspurbahn, auf der teils noch die uralten Kohleloks unterwegs sind, verpesten die Luft ganz schön. Sie fahren manchmal nur eine Handbreit an Läden, Häusern und Autos vorbei. Einfach irre.
Mit dem Wetter muss man auch mal Glück haben
Die Briten haben Darjeeling damals vom Maharaja von Sikkim gepachtet, weil es ihnen in Kalkutta zu heiß war. Sie kamen hierher, um sich zu erholen und bauten ein Sanatorium. Irgendwie kam es dann dazu, dass sich nach dem Rückzug der Briten der Maharaja von Sikkim sein verpachtetes Land nicht mehr zurückholen konnte. War auch fast egal, denn ein paar Jahre später wurde auch Sikkim ins heutige Indien „eingemeindet“. Das ist eine spannende Geschichte, über die ich in den kommenden Tagen hoffentlich noch mehr erfahren werde.
Darjeeling und seine Berge
Auch zu empfehlen: der Sonnenaufgang über Darjeeling. Man muss natürlich Glück haben, denn die Berge zeigen sich nicht jeden Morgen. Ich hatte dieses Glück und sah die Spitzen von Kangchenjunga oder Kangchendzönga und seinen Nachbarbergen, die sich um 5:37 am Morgen im Licht des Sonnenaufgangs golden färben. Der Kangchenjunga ist immerhin der dritthöcheste Berg der Welt. Nicht schlecht also. Ich habe sogar den Everest gesehen, weiter weg und hinter anderen Hügeln halb verbrorgen, aber immerhin. Der Everest. Zu dem haben die Inder ohnehin ein inniges Verhältnis, denn der erste Mensch, der nachweislich auf dem Gipfel stand, war Inder. Es war der Chef-Sherpa von Edmond Hillary, Tenzing Norgay und er war als erster 1953 oben. Es scheint ihm nicht allzu sehr gefallen zu haben, denn er hat zwar nachher das Himalayan Mounaineering Institut in Darjeeling geleitet, aber er ist nie wieder auf einen 8000er gestiegen. Warum die Inder so stolz auf ihn sind, ist mir nicht ganz klar, denn er war in Tibet geboren. Man fand schnell heraus, dass er die Reinkarnation eines berühmten Mannes des nepalesischen Volkes der Sherpa war. Die Inder haben wohl trotzdem einen Grund gefunden, ihn zum Inder zu machen. Wahrscheinlich hatte er zum Zeitpunkt der Besteigung einen indischen Pass. Wie auch immer. Er ist hier in Darjeeling begraben.
Eure Beatrice!