Jerusalem – die Stadt der religiösen Geschichten
An Jerusalem erinnere ich mich immer wieder gerne. In vielen Ländern erinnern mich Kirchen, Statuen und noch viel öfter Geschichten aus den Weltreligionen an etwas, das ich in Jerusalem gesehen habe. Die Klagemauer und der Felsendom erscheinen regelmäßig im Fernsehen, wenn auch oft aus unerfreulichen Anlässen. Trotzdem habe ich Jerusalem als ein eher friedliches Reiseziel erlebt, auch wenn man als Tourist an vielen Stellen daran erinnert wird, dass die Sicherheitslage immer wieder auf wackeligen Füßen steht.
Besonders beeindruckt hat mich die Grabeskirche. Wer mich kennt, der weiß, dass ich an keinen Gott glaube. Erst vor ein paar Wochen hat mich jemand verdutzt angeschaut und mir gesagt: „Für eine Atheistin weißt Du aber erschreckend viel über Religionen.“ Das stimmt. Ich interessiere mich brennend für alle Göttergeschichten, Dämonenmärchen und Geistererzählungen. Ich kann nicht genug davon bekommen, egal von welchem Kontinent die jeweiligen Götter stammen.In Jerusalem geht es – soweit ich das verstanden habe – immer um denselben Gott, der aber von allen ein wenig anders betrachtet und verehrt wird. Nachdem ich an der Klagemauer einen kleinen Zettel mit einem Wunsch versehen habe und ihn in die Ritzen der uralten Mauer gestopft habe, die einst die Westmauer des jüdischen Tempels war, bin ich auf den Tempelberg hinauf gegangen und durfte dort von außen einen kurzen Blick auf den Felsendom und die Al Aqsa Moschee werfen. Leider war es bei meinem Besuch in Jerusalem nicht möglich, die beiden heiligen Gebäude von innen zu sehen.
Umwerfend und so voller Geschichten, dass man Tage dort verbringen möchte, war die Grabeskirche. Hier teilen sich die griechisch-orthodoxen, die äthiopisch orthodoxen, die armenisch apostolischen, die römisch-katholischen, die syrisch orthodoxen und die russisch-orthodoxen Christen quasi die Grabeskirche untereinander auf. Jeder hat sein eigenes Eckchen und seine besonders heiligen Steine und Artefakte. Das angebliche Grab Jesu scheint ihnen allen wichtig zu sein und man kann sich in eine lange Schlange stellen, um einen kurzen Blick hinein zu werfen. Unter all den wirklich Gläubigen fühle ich mich wie ein Eindringling, der die Harmonie beziehungsweise Hysterie stört. Aber nirgends steht geschrieben, dass Touristen nicht willkommen sind. Irgendwie sind ja alle hier Touristen.
Ich bin teilweise den Kreuzweg entlang spaziert und habe die Straßenecke gesehen, an der die heilige Veronika Jesus angeblich ein Tuch gereicht hat. Ich bin im Museum gewesen und habe die Qumran-Rollen gesehen, von denen ich schon in Amman welche bewundern durfte. Richtig eindrucksvoll und dabei auch sehr traurig war der Besuch in der Gedenkstätte Yad Vashem. Hier kann man ein besseres Verständnis für den Wunsch vieler Juden bekommen, einen eigenen Staat zu haben, auch wenn der sich wahrlich nicht an einem idealen Ort befindet, um in Frieden zu leben. In der Wüste östlich von Jerusalem habe ich dann auch die Festungen gesehen, die die jüdischen Siedler im Gebiet der Palästinenser bauen und konnte mich nur fragen, wie hier jemals Frieden herrschen soll.
Kulinarisch ist der Mix aus Kulturen in Jerusalem sehr gelungen. Dank der etwas verrückten Idee des koscheren gibt es überall vegetarisches und sehr hygienisches Essen. Das ist eindeutig ein Vorteil der koscheren Küche. Was an einer Lasagne oder einem Cheeseburger letztendlich so sündhaft ist, habe ich allerdings nicht verstanden.
Ich würde gerne irgendwann wieder nach Jerusalem zurückkehren, denn historisch und kulturell betrachtet gibt es kaum eine Stadt, die reichhaltiger und vielseitiger ist. Bis dahin drücke ich die Daumen, dass das mit dem Frieden doch noch Fortschritte macht.
Eure Beatrice!