Johannesburg – Reisebericht von Beatrice Sonntag
Die Stadt Johannesburg würde es heute nicht geben, wenn nicht vor knapp 130 Jahren jemand hier rein zufällig auf eine ziemlich vielversprechende Goldader gestoßen wäre. Einer Theorie nach hieß einer dieser Männer Johan oder Johannes und es kann gut sein, dass man die nach dem Goldfund sich in rasender Geschwindigkeit ausdehnende Stadt nach ihm benannt wurde.
Der Alltag in Johannesburg ist mittlerweile nicht mehr vollkommen von Kriminalität bestimmt, so wie es vor zehn Jahren Gerüchten zufolge noch der Fall war. Zwar sind noch viele Gebäude mit Stacheldraht und Selbstschussanlagen versehen, aber es gibt einen knallroten Hop-On-Hop-Off-Bus, der Touristen durch die Stadt befördert und sie überall dort aussteigen lässt, wo sich eine Sehenswürdigkeit im weitesten Sinne definieren lässt.
Das einzige, was mich wirklich interessiert hat, war das Apartheid-Museum. Also steige ich dort als erstes aus. Wie um dem Besucher die extremen Widersprüche in Johannesburg deutlich vor Augen zu führen, befindet sich das Apartheid-Museum in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Vergnügungspark. Grausame Vergangenheit und fröhliche Gegenwart koexistieren hier in ganz besonderer Weise.
Das Museum ist der beste Ort im Land, um sich über die Apartheid, eines der sehr dunklen Kapitel in Südafrikas Geschichte, zu informieren. Als ein großer Fan von Nelson Mandela kenne ich viele der Fakten natürlich schon aus Büchern und dem Internet. Trotzdem bietet das Museum viele wirklich interessante und gleichzeitig schockierende Informationen. Besonders berührend ist die Sammlung an Schildern, die bestimmte Orte wie Toilettenanlagen, Geschäfte oder Bars nur für Weiße oder Nicht-Weiße ausweisen. Ich will es kaum fassen, dass zu Zeiten, als ich meinen zehnten Geburtstag feierte und in einer Welt mit relativer Gleichberechtigung aufwachsen durfte, hier in Südafrika Menschen im Bus hinten sitzen mussten, nur weil sie eine bestimmte Hautfarbe hatten.
Dass diese Diskriminierung von Menschen so dermaßen dämlich und willkürlich ist, zeigt sich unter anderem an einem Zeitungsartikel auf dem Jahr 1986, in dem die Rede davon ist, dass im Vorjahr um die 1000 Menschen offiziell ihre Hautfarbe gewechselt hatten. Dem Artikel zufolge wurden unter anderem drei Chinesen per Stempel vom Gouverneur zu Weißen erklärt, 701 Farbige wurden zu Weißen, 19 Weiße zu Farbigen und elf Farbige wurden offiziell zu Chinesen. Schon die Lektüre dieses Artikels bringt mich dazu, vor Wut und Traurigkeit fast weinen zu wollen.
Monitore zeigen Interviews und Reden von verschiedenen Politikern dieser Zeit, die es tatsächlich versuchen, ihr menschenverachtendes System zu rechtfertigen. Als Herr Vervoed tatsächlich von „guter Nachbarschaft“ spricht, möchte man ihm einfach nur verprügeln und zur Vernunft bringen. Leider sind noch immer einige Nachfahren der niederländischen Einwanderer in Südafrika in ihrer bescheuerten Ideologie gefangen und einige Videos von Versammlungen der ABW (Afrikaner Weerstandsbeweging) führen mir mit aller Deutlichkeit vor Augen, dass es Vollidioten nicht nur in Deutschland und Frankreich gibt (von denen ich jede Woche in den Nachrichten höre).
Eine umfassende Ausstellung befasst sich mit dem Kampf des ANC gegen diese Ungerechtigkeiten. Eine kleine Abteilung ist dem Kampf der Frauen gewidmet, die allerdings bis heute nur auf dem Papier gleiche Rechte haben. Ich kann nun meinen Taxifahrer verstehen. Ich hatte ihm erzählt, dass ich das Museum besuchen wolle und er meinte, dass er sich die Ausstellung nicht anschaue, weil sie ihn wütend macht, indem sie ihn daran erinnert, was seine Eltern vor gar nicht langer Zeit noch durchmachen musste.
Ansonsten ist Johannesburg nicht besonders hübsch. Ich sehe ein Minenarbeiterdenkmal, das Bürohochhaus, in dem Nelson Mandela und Oliver Tambo ihre erste Kanzlei hatten, die „World of Beer“ der südafrikanischen Brauerei SAB und den vollgestopften Nachbarschaftsmarkt von Braamfontein. Der Constitution Hill kann dann aber doch noch mein Interesse wecken. Hier finde ich wieder eine sehr interessante Mischung der Widersprüche vor: Die aktuelle und endlich demokratische Verfassung wurde hier unterschrieben. Gleichzeitig ist dieser kleine Hügel ein Ort, an dem politische Gefangene eingesperrt wurden, unter anderem auch einmal Mahatma Ghandi, der sich weigerte die erste Klasse (für die er bezahlt hatte) in einem Zug zu verlassen, weil er nicht weiß genug war.
Es tut mir ein wenig leid, dass ich Johannesburg nicht unbedingt als eines der Must See in Südafrika bezeichnen kann. Aber den Besuch im Apartheid Museum kann ich jedem nur empfehlen.
Eure Beatrice!