Kassels kleines morbides Juwel
Im Grunde ist das Museum für Sepulkralskulptur nicht klein. Das Gebäude ist sogar recht stattlich. Und es befindet sich in guter Gesellschaft, direkt neben dem noch größeren Brüder Grimm Museum. Morbide ist das Museum für Sepulkralkultur allerdings wirklich. Und genau deshalb wollte ich dahin.
Das Museum besteht aus einer Dauerausstellung, die geöffnet ist und wechselnden Ausstellungen, die wegen Corona geschlossen sind. Die Dauerausstellung unterteilt sich in eine umfangreiche Sammlung zum Thema Tod und Sterben im europäischen abendländischen Kulturkreis und eine kleinere Sammlung mit einer bunten Mischung aus Bestattungsriten von anderen Kontinenten.
Es gibt in dem Museum einige wirklich skurrile Ausstellungsstücke wie zum Beispiel eine Urne in den Vereinsfarben des HSV. Das nenne ich Hingabe. Bescheuert. Aber definitiv Hingabe. Ich erfahre, dass man sich schon seit 1997 nach seinem Tode ins All schießen lassen kann, wenn man das nötige Kleingeld aufbringt. Allerdings nur einen Fingerhut voll Asche, nicht die gesamten Überreste. Eine nette Idee ist auch, einen Verstorbenen beziehungsweise dessen Asche in einen Diamanten pressen zu lassen, den man dann in Form eines Schmuckstücks ständig mit sich herumtragen kann.
Spannend ist auch der Bereich der Ausstellung, in der es um die Darstellung des Todes in den vergangenen Jahrhunderten geht. Skelette, Sensenmänner, verwesende lächelnde Leichname, der schöne Thanatos, Schlafes Bruder… kunstvolle Darstellungen des Totentanzes.
Ich lerne, dass seit dem Vatikanischen Konzil 1963 die sogenannte „Letzte Ölung“ durch eine „Krankensalbung“ ersetzt wurde. Das lag daran, dass man eben immer nur eine Letzte Ölung bekommen kann. Sonst wäre es ja nicht die Letzte. Offenbar war es schwierig für jemanden, der eine Letzte Ölung erhalten hatte und sich danach aber überraschend von seiner Krankheit erholte, von der Gesellschaft sozusagen „zurückgenommen“ zu werden. Die Katholiken waren schon immer etwas schräg in solchen Dingen. Kein Sex vor dem Sakrament der Ehe und offenbar kein Leben nach der Letzten Ölung. Seit dem Vatikanischen Konzil 1963 ist letzteres Problem also gelöst. Kranke salben kann man nämlich, so oft man will.
Es lässt ich etwas Hoffnung schöpfen, dass bereits 1998 nur noch 42% der Deutschen an ein Leben nach dem Tod geglaubt haben und nur 26% an so etwas wie Himmel und Hölle. Heute sind nur noch etwas mehr als die Hälfte der Deutschen Christen. Und sehr viele von ihnen nur auf dem Papier.
Es gibt im Museum für Sepulkralkultur in Kassel ein paar wunderschön verzierte Särge von Adligen aus dem 17. Jahrhundert sowie viele verschiedene Trauertrachten. Offenbar konnte man in verschiedenen Regionen, vor allem auf dem Lande, an den Trachten der Witwen erkennen, in welcher offiziellen Trauerphase sie sich befinden. Man konnte daran auch sehen, ob die Trägerin der Tracht tanzen durfte oder nicht. Meine Herrn!
Weitere Kuriositäten des Museums sind drei „Kunstwerke“ aus vergammeltem Brot, die die Vergänglichkeit des Lebens symbolisieren und ein Regal sowie ein Sofa, die sich beide mit ein paar einfachen Handgriffen in einen Sarg verwandeln. Eigentlich komisch, dass sie diese Art von Möbeln nicht wirklich durchgesetzt hat.
Ein absolutes Highlight in Kassel!
Eure Beatrice!