Bunte Kirchen und ein Wahnsinnskloster
Nachdem ich ein paar Bilder aus Kiew auf Facebook gepostet hatte, fragte mich ein Freund, ob ich in Disneyland sei. Daraufhin habe ich mir meine Bilderauswahl noch einmal angesehen und festgestellt, dass ich tatsächlich eine hellblaue, eine weiß-grüne, eine safrangelbe und eine rötliche Kirche ausgewählt hatte. Zusammen sah das sehr bunt und fröhlich aus. Kiew hat also auch etwas mit Disneyland gemeinsam.
Ansonsten ist Kiew eine wirklich schöne und spannende Stadt, in der es viel zu sehen gibt. Von meinem Hotel aus habe ich einen tollen Blick auf den Maidan Platz, der spätestens seit 2014 traurige Berühmtheit in ganz Europa erlangt hat. Heute wirkt er wieder wie ein lebendiger Stadtplatz und bis auf die Fotos der ermordeten Demonstranten erinnert nichts mehr an die Revolution von vor zwei Jahren. Es ist tagsüber eher ruhig, aber am Abend finden sich viele junge Leute auf dem berühmten Unabhängigkeitsplatz ein und genießen das Leben.
Das absolute Highlight in Kiew ist das Pechersk Lavna, das Höhlenkloster. Es handelt sich um eine riesige Anlage am Rande der Innenstadt am Dneprufer, die aus mehreren Kirchen, Klostergebäuden und verschiedenen Profanbauten besteht. Sie alle bilden das riesige Kloster, das noch bis heute in Betrieb ist. Überall laufen Mönche und Pilger umher. Die goldenen Kuppeln funkeln in der Sonne.
Die Atmosphäre in den künstlich gegrabenen Höhlen des Klosters ist atemberaubend. Durch Gänge, die gerade mal groß genug für mich sind, sind unterirdisch kleine Räume miteinander verbunden. Manche der Höhlen sind Kirchen mit kleinen Altären, die auch tatsächlich noch in Betrieb sind. In den winzigen Gewölben drängen sich Gläubige und beten. Jeder, der in die Gänge hinab steigt, erhält eine Kerze, denn es gibt in den Gängen kein Licht, nur hin und wieder eine Kerze an der Wand.
Mumifizierte Mönche
124 Heilige sind in den Gewölben des Höhlenklosters in Glassärgen beigesetzt. Ihre Körper sind offenbar alle in einem Zustand perfekter Mumifizierung erhalten, was auf die konstanten Luft- und Temperaturverhältnisse in diesen Katakomben zurückzuführen ist. Von vielen der Heiligen sind die schrumpelig schwarzen aber wirklich gut erhaltenen Hände zu sehen. Der Rest der Körper ist in reich verzierte und bestickte Gewänder gehüllt. Meine Höhlenführerin behauptet, dass mit 124 Heiligen dieses Kloster weltweit die meisten Heiligengräber besitzt.
Sie macht mich auf die winzigen Löcher in den Wänden aufmerksam und erklärt mir, dass sich hinter diesen kleinen Öffnungen die Zellen der Mönche befanden, die sich freiwillig in die Inkluse begaben, also sich in der Wand einmauern ließen, um möglichst abgeschieden den Rest ihres Lebens nur noch mit Beten zu verbringen. Erstaunlicherweise sollen einige dieser Mönche bei Brot und Wasser mehr als 30 Jahre lang in ihrer winzigen Zelle in der Wand überlebt haben. Das wäre ja nichts für mich. SO ganz ohne Dusche, ohne Bett, ohne Schokolade und ohne Leselampe wollte ich noch nicht einmal 24 Stunden verbringen, geschweige denn 30 Jahre.
Das Essen in Kiew ist übrigens wirklich gut und günstig. Hier finde ich auch im Gegensatz zu Weißrussland fast überall Menschen, also Kellner vor, die englisch sprechen und die meisten Restaurants im Zentrum haben englische Menükarten. Da ich im August wieder ein Wochenende in Kiew verbringen werde, freue ich mich jetzt schon auf frischen Salat, gegrillten Fisch und passables Bier für etwa 6 Euro.
Eure Beatrice!