Lesotho – Das Land der Decken
Ich hatte diese Reise nach Südafrika eigentlich gebucht, weil sie einen dreitägigen Aufenthalt in Lesotho einschloss und ich dieses Königreich, das versteckt oben auf einem Berg mitten in Südafrika liegt, unbedingt einmal sehen wollte. Leider bekam ich ein paar Wochen vor Abflug dann die Nachricht, an die ich mich in der Corona-Zeit fast schon gewöhnt hatte. Es war nicht die schlimmste Nachricht: Ihre Reise ist abgesagt. Sondern die zweitschlimmste: Ihre Reise findet statt, aber es gibt eine Planänderung.
Also befand ich mich im September 2022 auf einer Reise durch Südafrika ohne den Abstecher nach Lesotho. Als ich auf dieser Reise in Himeville am Fuße der Drakensberge angelangt war, war ich Lesotho so nahe. Weniger als 30 Kilometer entfernt. Durch einen glücklichen Zufall fand ich dort jemanden, der mich für sage und schreibe 850 Rand, also weniger als 50 Euro, doch noch nach Lesotho brachte. Zwar nur für einen Tag, aber immerhin.
Die Reise beginnt in Himeville. Von da aus sind es 25 Kilometer bis zum Grenzposten. Ich verlasse Südafrika. Danach dauert es eine Weile, bis man mit einem Geländewagen den Grenzposten von Lesotho erreicht. Acht Kilometer lang schlängelt sich eine ziemlich Piste durch Niemandsland, an dem keines der beiden Länder großes Interesse zu haben scheint. Die UNESCO hat dieses Niemandsland kurzerhand zu einem Welterbe-Schutzgebiet erklärt. Tatsächlich entdeckt mein Fahrer einige Tiere: Paviane, eine Antilope, ein paar niedliche dicke Klippschliefer und verschiedene Vögel.
Auf diesen acht Kilometern überwinden wir etwa 1000 Höhenmeter und kommen schließlich am Grenzposten in Lesotho an. Die bürokratischen Hürden sind hier denkbar gering. Hello. Stempel. Noch ein Stempel. Welcome. Als ich in meinen Pass schaue, stelle ich fest, dass ich sowohl den Entry-Stempel als auch den Exit-Stempel schon habe. Später am Tag muss ich also nicht noch einmal vorstellig werden. Man vertraut den Besuchern hier vorbehaltlos.
Ich besuche ein Dorf, in dem ich Sorgum-Bier und frisch gebackenes Brot kosten darf. Eine Gruppe von Schafhirten führt einen Tanz auf und jemand, der englisch kann, erzählt mir ein wenig von den Traditionen und der Geschichte Lesothos. Ich erfahre unter anderem, dass die königliche Erbfolge hier auch auf Frauen übergeht und dass in absehbarer Zeit die älteste Tochter des aktuellen Königs das Königreich anführen wird.
Alle Menschen hier sind in Decken gehüllt. Das ist aber offenbar keine Reaktion auf das kühle Klima hier in der Höhe, sondern ebenfalls eine Tradition. Queen Victoria schenkte dem König von Lesotho einst eine Decke. Da er nicht ganz sicher war, was er damit anfangen sollte, trug er die Decke wie einen Umhang, in der Hoffnung, damit seine Dankbarkeit für die englische Krone ausdrücken zu können. Seither tragen offenbar alle Menschen in Lesotho eine Decke, zu Ehren der britischen Krone und ihres eigenen Königshauses.
Mein Fahrer, Warren, bringt mich zum höchsten Punkt, den wir mit dem Auto erreichen können. Hier auf 3240 Metern über dem Meeresspiegel weht ein frischer Wind. Glücklicherweise ist das Wetter gut und ich sehe einiges von den Bergen um mich herum. Im höchsten Pub von Afrika genieße ich ein verspätetes Mittagessen und eine große Flasche Bier, gebraut in Lesotho.
Immerhin habe ich nun einen kleinen Eindruck von diesem hochgelegenen Königreich bekommen. Lesothos Tiefpunkt, also geografisch gesehen, ist der höchste aller Länder dieser Erde. Selbst Nepal und Bhutan haben tiefer gelegene Regionen. Ein Superlativ mehr und noch ein Land mehr, das ich in Afrika besuchen durfte.
Eure Beatrice!