Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien!
Ich kann nicht genau sagen, warum ich es in 36 Jahren nicht geschafft habe, die spanische Hauptstadt Madrid einmal zu besuchen. Sie ist bis vor kurzem eine der wenigen Hauptstädte Europas gewesen, die ich noch nie gesehen hatte und im Grunde ist das eine Schande für eine Weltreisende wie mich. Es wurde also höchste Zeit, diese Weltstadt aufzusuchen und mir ihre Kunstschätze und weltberühmten Plätze und Gebäude anzusehen.
Madrid ist wider Erwarten überhaupt nicht beleidigt, weil ich schon zweimal in Rom, zweimal in Prag und zehnmal in Paris sowie London war und ihm sogar Chisinau und Tirana vorgezogen hatte. Die spanische Hauptstadt empfängt mich im Gegenteil mit Sonnenschein und der überraschenden Tatsache, dass der sehr günstige und etwas dubiose Flughafentransfer tatsächlich wie geplant stattfindet und das auch noch in einem passablen Fahrzeug.
Das Museo del Prado ist wohl eines der berühmtesten der ganzen Welt. Es gehört zudem zu den 20 meistbesuchten Museen der Welt und ist wohl ein absolutes Muss für alle Kunstfreunde. Ab 18 Uhr ist der Besuch des Prado kostenlos für die beiden letzten Stunden des Tages. Als ich pünktlich um 18 Uhr vor dem Eingang erscheine, hat sich schon eine etwa 300 Meter lange Schlange gebildet. Ich musste also einen Trick anwenden, den mir mein sonst sehr vernünftiger und regelkonformer Vater beigebracht hat und mich unauffällig in die Reihen einer ukrainischen Reisegruppe einreihen, die ganz vorne in der Schlange stand. Das hat ganz hervorragend funktioniert und um zehn nach sechs war ich im Prado und das auch noch umsonst. Madrid ist toll. Ich bestaune unschätzbare Gemälde von Francisco de Goya, Diego Velazquez und anderen spanischen Meistern und habe nach zwei Stunden auch dann genug von der Kunst.
Genauso, nur ohne das Mogeln beim Anstellen, verfahre ich am nächsten Tag beim Museo de Reina Sofia, wo es modernere Kunst zu sehen gibt. Hier sind ein paar Picassos, mehrere Dalís und Bilder von Oskar Schlemmer. Hier gefällt es mir noch besser als im Museo del Prado. Mit Entzücken stelle ich fest, dass es gerade eine ausführliche Ausstellung von Wilfredo Lam gibt, der zu meinen Lieblingskünstlern gehört. Die Reise nach Madrid habe ich also genau zum richtigen Zeitpunkt unternommen.
Im Palacio Real muss ich Eintritt bezahlen. Der Eintritt ist an Wochentagen am Nachmittag frei für Bürger der EU und Südamerikas. Eine eigenartige Regelung. Dass die Bewohner der südamerikanischen Staaten freien Eintritt haben, versteht sich eigentlich von selbst, denn der Palast wurde schließlich vollständig mit dem Geld erbaut, das den Südamerikanern seinerzeit von den Spaniern gestohlen wurde. Im Innern kann man ziemlichen Prunk sehen, ein wenig wie in Versailles oder im Puschkin Palast. Die Besucher haben Zugang zu etwa 30 der insgesamt 3400 Räumlichkeiten, aber nach dieser kleinen Auswahl hat man schon einen ausreichenden Eindruck, wieviel Gold und Silber die Spanier in Südamerika erbeutet haben.
Ich unternehme außerdem eine geführte Tour, die mich zu den verschiedenen Schauplätzen der spanischen Inquisition führt. Vor dem Gefängnis, dem Kloster der Dominikaner und dem Hinrichtungsplatz erzählt mir ein junger Mann, wie die spanische Inquisition 356 Jahre lang die Bürger des Landes in Angst und Schrecken versetzt hat und das ganz ohne Blut zu vergießen. Es gehörte nämlich zu den wichtigen Regeln, dass während der Folterungen kein Blut vergossen werden durfte. Ausgekugelte Arme, gebrochene Knochen und Waterboarding oder das Verbrennen bei lebendigem Leibe waren regelkonform. Nach dieser ausführlichen Tour über dieses dunkle aber faszinierende Kapitel der spanischen Geschichte sehe ich mal wieder meine Ablehnung der katholischen Kirche, die sich bisher nicht für diese von ihr legitimierten Grausamkeiten entschuldigt hat, bestätigt.
Auch der Rest der Geschichte Spaniens ist interessant und abwechslungsreich. Abwechslungsreich bis auf die Namen der Herrscher, die fast ausschließlich Felipe oder Carlos hießen. Als die Dynastie der Habsburger mit ihren sechs Generationen von Felipes und Carlos endet, kommt ein Franzose an die Macht, der dummerweise auch Phillip, also Felipe heißt. Ihm folgen dann noch mehrere Felipes und Carlos, aber auch ein paar Ferdinands und Isabellas. Heute haben wir wieder einen Felipe.
Kulinarisch gesehen ist Spanien für mich kein Traumziel, denn ich bin kein großer Fan von Tapas. Ich mag lieber eine richtige Mahlzeit, von der ich auch satt werde. Aber was die Desserts und Süßigkeiten angeht, können die Spanier mich durchaus begeistern. Es gibt Läden, die sich tatsächlich Churreria nennen und in denen man ausschließlich ungesunde Köstlichkeiten mit Schokoladenüberzug bekommt. Churros con Chocolate ist quasi ein Hauptgericht und nach etwa dreiviertel der Portion ist mir so schlecht, dass ich aufgeben muss. Köstlich!
Ulkigerweise gehört zu den Sehenswürdigkeiten Madrids auch ein ägyptischer Tempel, der mitten in einem Park steht. Diesen haben die Spanier allerdings nicht geklaut, sondern bekamen ihn geschenkt, weil sie dabei geholfen haben, die verschiedenen Tempel zu retten, die vom Nassersee verschlungen worden wären. Und da die Ägypter vor lauter Tempeln nicht wussten, wohin, haben sie diesen Debod-Tempel den Spaniern geschenkt.
Madrid ist also eine wirklich schöne Hauptstadt und ich werde mit Sicherheit irgendwann wieder herkommen. Ist ja nur einen Katzensprung entfernt.
Eure Beatrice!