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Prag – Kafka, Kronen und Knochen

By 27. Juni 2014Februar 26th, 2015Kurz und schmerzlos
Uhr-Prag

Uhr-Prag

Prag empfängt mich im Mai mit einer meteorologischen Unentschlossenheit, die von Sonne über Platzregen bis hin zu kühlen Sturmböen ein breites Spektrum abdeckt. Ich schaffe es leider nicht ganz, mich genau dann, wenn es regnet, in einem Museum aufzuhalten und so werde ich am ersten Tag mitten auf der berühmten Karlsbrücke klatschnass. Natürlich bin ich dabei nicht alleine, denn auf der Brücke schieben sich gefühlte Millionen  von Touristen dicht aneinandergedrängt zwischen den steinernen Statuen und den kleinen Verkaufsständen hindurch.

Prag

Prag

 

Als ich die Burg erreiche, ist das Wetter wieder versöhnlich gestimmt und ich staune nicht schlecht, als auf dem Platz vor dem majestätischen Veitsdom eine kleine mürrisch dreinblickende Bernd-das-Brot-Plüschfigur sitzt. Sicherlich schaut sie nur deshalb so mies gelaunt aus, weil jemand sie im Regen hier hat sitzen lassen. Zunächst werfe ich einen Blick in das goldene Gässchen, wo ich mitunter Minutenlang warten muss, um ein Foto von einem der Gebäude machen zu können, ohne dass mir ein Tourist ins Bild läuft. In den Wehrgängen, wo es eindrucksvolle Sammlungen von alten Rüstungen und Schwertern gibt, ist die Luft muffig und verbraucht. Die Besucher quetschen sich fast schmerzhaft aneinander vorbei, um einen Blick auf die lustigen metallenen Ritterrüstungen werfen zu dürfen. Diese sehen unheimlich unbequem aus und ich kann mir kaum vorstellen, darin auch nur wenige Schritte zu machen, geschweige denn einen Krieg zu führen.

In der Georgskirche zwischen dem goldenen Gässchen und dem Veitsdom reihe ich mich in eine Schlange aus Besuchern ein, ohne zu wissen, was sich am Ende der Schlange befindet. Aus meinem Reiseführer erfahre ich nur, dass hier die Großmutter des heiligen Wenzel begraben liegt. Wo genau die Frau jedoch ihre letzte Ruhe gefunden hat, ist mir nicht klar. Das Geheimnis wird auch nicht gelüftet, als ich das Ende der Schlange erreicht habe. Ich kann einen Blick in eine Art Krypta werfen, sehe aber nichts wirklich prickelndes. Das hat man eben davon, wenn man sich in jede Reihe stellt, ohne nachzudenken.

 

Prag-Klementinum

Prag-Klementinum

Natürlich schaue ich mir die astronomische Uhr und die verschiedenen Gebäude in der Stadtmitte an. Im Klementinum, einen alten Kloster, mache ich sogar eine Führung mit. Dabei erfahre ich, dass hier vor langer Zeit die besten Wissenschaftler Europas zu Gange waren. Unter anderem hat Johannes Kepler in diesen Räumlichkeiten gelernt und studiert. Eindrucksvoll ist die Bibliothek des Klementinums, die für Touristen leider nicht zugänglich ist. Ich darf nur einen kurzen Blick in die mächtigen Hallen werfen, in denen wohl Tausende von Büchern seit Jahrhunderten stehen. Der Museumsführer erzählt, dass gerade ein Projekt im Gange ist, welches die Digitalisierung all dieser Werke zum Ziel hat. Auch wenn mich die Inhalte der meisten wissenschaftlichen Werke aus dem 17. Jahrhundert wohl nur sehr wenig interessieren (wer weiss, ob ich überhaupt etwas verstehen würde) fühle ich mich in der Gegenwart von so vielen alten Folianten immer von Ehrfurcht ergriffen.

 

Außer den 22.000 Büchern gibt es hier tolle Weltkarten und Globen, die allerdings den kleinen Makel haben, dass Australien auf ihnen nicht gezeigt wird. Dafür ist aber der Kontinent Atlantis in die Karten eingetragen.

Das jüdische Viertel gehört zu den Sehenswürdigkeiten von Prag. Man muss nur darauf achten,  nicht am heiligen Shabbat hierher zu kommen, denn dann sind alle Synagogen geschlossen. Besonders hübsch finde ich die spanische Synagoge. Obwohl ich nicht in Erfahrung bringen konnte, was sie mit Spanien zu tun hat – sie ist im maurischen Stil erbaut – bin ich begeistert und mache unerlaubterweise einige Fotos des bunten und gold-schimmernden Innern. Die Ausstellung in der Synagoge, die sich mit dem

jüdischer-Friedhof

jüdischer-Friedhof

Schicksal der Prager Juden befasst ist sehr umfangreich und informativ.

 

Nachdem ich vor etwa 15 Jahren einmal in Prag gewesen bin, möchte ich das Kafka-Museum wieder besuchen. Es befindet sich nicht mehr dort, wo es damals war, aber es ist dafür deutlich größer und schöner geworden. Sehr viele der Dokumente sind auf Deutsch und ich erfahre, wie viele Freundinnen Franz Kafka hatte, woran seine Beziehungen gescheitert sind und welche Noten er in der Schule gehabt hat. Als großer Fan habe ich natürlich alle seine Werke gelesen und mir war schon klar, dass er ein bisschen verrückt gewesen sein muss. Aber das Museum führt mir sehr anschaulich vor Augen, dass der arme Kerl wirklich einen beachtlichen Sprung in der Schüssel gehabt hat!

 

Den Ausflug nach Prag will ich diesmal außerdem nutzen, um Kutna Hora zu besuchen. Es handelt sich um ein eigentlich wenig spektakuläres Dörfchen, das aber unter den Gruftis in ganz Europa sehr bekannt ist. Die sogenannte Knochenkirche von Kutna Hora ist ein Geheimtipp bei Amateuren der Teufelsanbetung und romantischen Satanisten. Das Ossarium dieser kleinen Kirche ist tatsächlich auch für ehemalige Gruftis und alle die ein wenig morbiden Charme lieben, eine Attraktion. Von der Decke hängen Kronleuchter, die aus menschlichen Knochen gebastelt sind, Girlanden aus Schädeln und Berge aus Schienbeinen sind malerisch angeordnet. Irgendwo wurde wohl ein Friedhof umgesiedelt und damals hatte ein Künstler die leicht makabre Idee, aus den Knochen etwas Hübsches zu bauen. Die Kirche ist tatsächlich geweiht. Schilder weisen die Besucher darauf hin, leise zu sein und die Andacht nicht zu stören. Ich sehe tatsächlich einige eindeutige Gruftis andächtig unter den Knochenlüstern entlang schweben. Der Eintritt kostet nur wenige tschechische Kronen.

kutna-hora

kutna-hora

 

Ein etwas trauriger aber nicht weniger interessanter Programmpunkt ist der Besuch im ehemaligen Konzentrationslager Theresienstadt. Es fällt schwer, sich vorzustellen, was hier vor sich ging, auch wenn es „nur“ ein Durchgangslager war, wo keine Massenermordungen stattfanden. Es wurde sogar als Vorzeigelager verschiedenen Politikern gezeigt. Trotzdem sind hier mehr als 33.000 Menschen ermordet worden oder an den Folgen von Hunger, Krankheiten, Arbeit und Folter gestorben. Zudem wurden von hier aus über 88.000 Menschen in andere Lager deportiert, in denen sie dann zu Tode kamen. Das heutige Museum ist sehr informativ und vermittelt einen Eindruck der Schrecken der NS-Zeit.

Theresienstadt

Theresienstadt

 

Interessant ist in Prag, wie in jedem Land der Welt die kulinarische Vielfalt. Beliebt sind Gulaschsuppen, die in lustigen ausgehölten Brotlaibern serviert werden. Der Hermelin ist ebenfalls eine Spezialität der bömischen Küche. Glücklicherweise finde ich schnell heraus, dass es sich nicht etwa um einen gebratenen Marder handelt, es ist auch kein Pelzmantel, sondern ein herzhafter Käse, der mit einem Hermelin nur die weiße Farbe gemein hat. Dieser ist in Öl eingelegt und wird gerne als Grundlage für ein Bier oder auch eine Kiste Bier gegessen.

Theresienstadt

Theresienstadt

Wenn Ihr also nach Prag fahrt, dann stattet Kafka einen Besuch ab, esst einen eingelegten Käse und am besten auch ein Stockbrot, das überall angeboten wird. Und ein Ausflug zum Grufti-Mekka Kutna Hora ist unbedingt zu empfehlen. Diese schrullige kleine Kirche muss man einfach mit eigenen Augen gesehen haben!

Eure Beatrice!

 

 

 

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