Gallen – Sauberes und elegantes Idyll in der Ostschweiz
Den Besuch in St. Gallen habe ich einem Vorschlag meiner Schweizer Brieffreundin zu verdanken. Ja, richtig gelesen. Ich bin so alt, dass ich tatsächlich Brieffreundinnen habe. St. Gallen liegt ein paar hundert Meter höher als Konstanz, wo ich in den Zug eingestiegen war. Da es in Konstanz aber stattliche 31 Grad waren, hat die klimatische Veränderung an diesem schönen Sommertag eigentlich nur Vorteile gehabt.
St. Gallen ist sehr modern und kam mir bei meinem Besuch unglaublich sauber vor. Eine Studentenstadt, aber es müssen sehr disziplinierte Studenten sein. Vom sehr sauberen Bahnhof sind es nur ein paar Häuserblocks bis in den sehr sauberen Stiftsbezirk, der das Zentrum von St. Gallen darstellt. Da stehen einige sehr eindrucksvolle Gebäude, die zwischen den teils windschiefen Fachwerkhäusern aus dem Mittelalter und einigen gotischen Bürgerhäusern aus dem 14. bis 16. Jahrhundert ziemlich auffallen.
Eine Kirche ist von außen ein grauer monströser Steinblock mit einer wenig verschnörkelten Fassade mit zwei Türmen. Im Inneren ist dieses Gotteshaus allerdings sehr reich verziert. Alles ist in einer Kombination aus Türkisblau und Marmorrot gehalten. Die Decken und Kuppen sind mit aufwändigen bunten Malereien verziert. Der Altarraum strotzt vor Gold und unzähligen Details. Die andere Kirche erinnert mich an das Hotel Dieu in Beaune in der Bourgogne und zwar wegen ihres bunt verzierten Dachs, das aus lackierten Kacheln besteht.
All diese ehrwürdigen Gebäude gehören zum Stift von St. Gallen, dem zweitältesten Kloster auf dem Gebiet der Alemannen. Hier waren von Beginn des 8. Jahrhunderts bis ins frühe 19. Jahrhundert Benediktinermönche unter anderem damit beschäftigt, Bücher abzuschreiben.
Die Stiftsbibliothek ist sicherlich das Highlight von St. Gallen. Es handelt sich um eine wunderschöne alte Bibliothek mit einem Holzfußboden, der so knarzt, dass es schwierig ist, der Führung durch den altehrwürdigen und wunderschönen Saal zu lauschen. Zwar bekommen alle dicke Filzpantoffel, aber das macht die Besucher nicht leichter und so knarrt der Boden unaufhörlich.
Ich habe sofort an Harry Potter denken müssen, denn die Bibliothek hat wirklich einen zauberhaften Charme. Darin sind viele uralte Bücher, unter anderem Übersetzungen von Notker dem Deutschen, der einer der Leiter der Klosterschule war. In der Bibliothek liegt eine echte ägyptische Mumie mitsamt ihrem Originalsarkophag. Es ist die Tochter eines hohen Aton-Priesters, die im 8 Jahrhundert gestorben und 1820 als Leihgabe in die Bibliothek kam. Irgendwie passt sie sogar recht gut in das Ambiente.
Also, wenn Ihr irgendwann mal im Osten der Schweiz unterwegs seid, dann müsst Ihr dringend diese Bibliothek besichtigen. Man darf leider keine Fotos darin machen, aber sie ist der Knaller!
Eure Beatrice!