Ohne Englischkenntnisse von Chiang Kai Shek bis zum Taipei 101!
Mein erster Besuch in Taiwan ist eher ein Zufall. Obwohl dieses kleine Land schon lange auf der Liste meiner Reiseziele steht, habe ich es bisher noch nicht geschafft, meine Rundreise zu planen. Nun bietet sich mir auf dem Weg von Frankfurt nach Manila die Gelegenheit, einige Stunden in der taiwanesischen Hauptstadt Taipeh zu verbringen. Ich steige früh am Morgen (nach meiner inneren Uhr ist es nun langsam Zeit, um sich schlafen zu legen) am Flughafen an und sehe, dass die Sonne langsam aufgeht.
Zielsicher finde ich eine junge Dame, die mir einen Taxifahrer für die kommenden Stunden zur Verfügung stellen kann, der mit absoluter Sicherheit kein einziges Wort Englisch spricht. Er kann noch nicht einmal ja oder nein sagen. Glücklicherweise habe ich mir die Namen der Sehenswürdigkeiten, welche ich besuchen möchte auf Chinesisch ausgedruckt. Es ist außerdem hilfreich, dass die Menschen in Taiwan alle Smartphones haben und zudem die arabischen Zahlen benutzen. So können wir uns wenigstens mit Hilfe der Smartphonetastatur auf Uhrzeiten einigen.
Zunächst sehe ich mir den Longshan Tempel an, der auch schon früh am Morgen geöffnet hat und wo reges Treiben herrscht. Die Menschen scheinen hier einen kurzen Abstecher zu machen, bevor sie sich auf den Weg zur Arbeit machen. Sie zünden Räucherstäbchen an, verneigen sich vor den zahlreichen goldenen Buddhafiguren und bringen Blumen und andere Opfergaben. Einige scheinen aber auch den Tag hier verbringen zu wollen, denn sie haben es sich auf Kissen bequem gemacht und lesen in dicken Gebetbüchern.
Zur angegebenen Uhrzeit treffe ich wieder auf meinen Fahrer. Wir machen uns auf den Weg zum Chiang Kai Shek Memorial, dem gigantischen Denkmal für den Nationalhelden von Taiwan. Er hatte sich mit Mao Tsetung angelegt und dann aus einer Niederlage recht geschickt eine Art Sieg gemacht, indem er sich nach Taiwan zurückzog und hier die Republik China ausrief. Seither ist er Staatsgründer und Nationalheld, obwohl er im Grunde auch ein Diktator war. Mao und er haben bis zu ihrem Tode beide stets Anspruch auf ganz China erhoben. Heute scheint sich die Teilung für fast alle (außer vielleicht für die aktuelle Regierung der Volksrepublik China) durchgesetzt zu haben.
Das Denkmal wird einem Diktator, Staatsgründer, Helden und was auch immer auf jeden Fall gerecht. Chiang sitzt in Bronze und überlebensgroß etwa so wie Abraham Lincoln in einem eindrucksvollen sehr asiatisch anmutenden Bauwerk. Wirklich hübsch! Und im unteren Teil gibt es eine sehr ausführliche Ausstellung über sein Leben, die sogar mit Erklärungen in Englisch aufwarten kann. Kleidungsstücke, Orden, Fahrzeuge und sogar das Hochzeitsfoto und das Telefon von Chiang kann ich hier bewundern. Ich liebe Nationalhelden!
Zum krönenden Abschluss bringt mich mein Fahrer zum Taipei 101, dem Hochhaus, das von 2006 bis 2010 das höchste der Welt war, bis schließlich ein paar Scheichs in Dubai dieser Situation ein Ende machten, indem sie ein noch höheres Ungetüm bauten. Trotzdem ist der 101 ein Wahrzeichen, ein Wunder der Technik und eine Touristenattraktion geblieben. Warum auch nicht. Das Monstrum ist einfach echt hoch. Im Innern gibt es Büros und in den unteren Etagen eine riesige Shoppingmall. Ich staune über die überteuerten Preise für allen möglichen Unsinn und kaufe schließlich einen Bleistiftanspitzer aus blauem Plastik für fast zehn Euro!
Das wird mich aber nicht davon abhalten, irgendwann doch noch meine Rundreise durch Taiwan zu machen. I’ll be back!
Eure Beatrice!