Thingvellir – Schöne Felsen und neugierige Gänse
Thingvellir ist ein ganz besonderer Ort in Island und zwar aus verschiedenen Gründen. Zum einen stoßen am Thingvellir die amerikanische und die eurasische Kontinentalplatte aufeinander. Es hat sich die Sifra Spalte gebildet und hier kann man, wenn man ausreichend Geduld mitbringt, beobachten, wie die Platten sich jedes Jahr um etwa sieben Millimeter weiter voneinander entfernen. Das erklärt zwar nur zum Teil die immer teurer werdenden Interkontinentalflüge, aber es ist immerhin mal ein Hinweis.
Die Geduld hatte ich natürlich nicht. Ich glaube es den isländischen Wissenschaftlern, die hier komplizierte und auch ganz einfache Messgeräte aufgestellt haben.
Der zweite Grund dafür, dass Thingvellir ein ganz besonderer Ort ist, ist seine Geschichte. Hier hat im Jahr 930 das erste Parlament der Weltgeschichte getagt. Es wurde Althing genannt und hier kamen Häuptlinge und Priester aus den umliegenden Regionen zusammen, immer einmal im Jahr, Ende Juni. Und sie hielten eine Parlamentssitzung ab, ohne überhaupt zu wissen, was eine Parlamentssitzung ist. Sie hatten gesetzgebende und rechtsprechende Funktion. Sie konnten also neue Gesetze erlassen und die bestehenden Gesetze durchsetzen, indem sie Urteile fällten.
Eine recht umfangreiche Dokumentation ist den verschiedenen Urteilen für die einzelnen Straftaten gewidmet und beim Althing wurden auch jede Menge Straftäter auf sehr kreative Weise bestraft. Es gab Geldstrafen für kleinere Vergehen, Verbannung ins Exil für eine Weile oder auch lebenslangen Ausstoß aus der Gesellschaft. Aber für viele Vergehen mussten die Schuldigen auf unterschiedliche Weise von der Erde scheiden. Vor allem später im 17. bis 19. Jahrhundert, als Island unter der Hoheit des norwegischen Königs stand und das Christentum mit seinen Praktiken der Hexenverfolgung Einzug gehalten hatte.
Das Thingvellir besitzt also einen Platz für das Ertränken von Straftätern, für das Köpfen, das Hängen, für Auspeitschungen und Verbrennungen. Insgesamt war das Thingvellir von 930 bis 1262 ein Ort der Versammlung, denn neben den Mitgliedern der Nationalversammlung kamen auch hunderte andere Menschen, die den Festlichkeiten beiwohnten und daraus ein richtiges Volksfest machten.
Am Thingvellir können bei schönem Wetter grandiose Fotos entstehen, denn es treffen Wasser, Vegetation und Fels aufeinander. Die Felsen sind aufgrund der Sifra Verwerfung ziemlich eindrucksvoll und schroff. Es ist wahrhaft ein magischer Ort. Ich hätte auch nirgendwo anders meine Nationalversammlung tagen lassen wollen. Ich hatte die Attraktion (wahrscheinlich dank Corona) fast für mich alleine. Nur ein paar verirrte Israelis und Chinesen sowie einige Gänse waren unterwegs. Letztere schauten mich besonders interessiert an, so dass ich es fast mit Angst zu tun bekam.
Es war alles in allem ein gelungener Ausflug.
Eure Beatrice!