Toronto für ein Wochenende? Warum nicht?
Es ist schon hin und wieder vorgekommen, dass mir jemand glaubhaft versichert hat, dass die Reise, die ich geplant hatte, sich nicht lohnt und dass es vollkommener Unsinn ist für so kurze Zeit irgendwo hin zu fahren. Für einen Abend nach Paris oder für eine Woche nach Nepal… alles schon vorgekommen und ich habe es in vollen Zügen genossen. So auch mein Wochenende in Toronto. Ich habe ein paar Tage darüber nachgedacht, ob es verrückt ist, Donnerstags nach Toronto zu fliegen und Sonntags wieder zurück nach Hause zu fliegen, um dann am Montag morgen direkt vom Flughafen aus auf die Arbeit zu fahren. Ich habe beschlossen, dass es ein wenig verrückt ist und dass es eine sehr gute Idee ist.
Am Donnerstagmittag stand ich also in Toronto am Flughafen und wurde pünktlich abgeholt. Dreieinhalb erlebnisreiche Tage standen vor mir und das Wetter war traumhaft. Sonnenschein und mindestens 25 Grad, wovon Deutschland in diesem Juni 2016 nur träumen konnte. Ob ich mich kurz ausruhen wolle… Nein, Himmel, nur das nicht. Wenn ich jetzt nicht wach bleibe, dann liefere ich mich komplett dem Jetlag aus. Also stürzten wir uns gleich ins Gewimmel der Großstadt.
Ich habe die Graffiti Alley gesehen, eine kleine Nebengasse, in der Dutzende von bunten Graffiti an den Haus- und Garagenwänden prangen, den Brookfield Place bewundert, wo der berühmte Architekt Santiago Calatrava eine eindrucksvolle weiße Stahlkonstruktion in einer Shoppinggalerie hinterlassen hat und bin jeden Tag mindestens 20.000 Schritte gelaufen. Vom Picasso- Building zur Universität zum Royal Ontario Museum, zum CN Tower, zu Chinatown und zum Distillery District… und wieder zurück.
Den Samstag verbrachte ich auf dem Fahrrad, fuhr zum Fort York, wo Baracken der britischen Armee als eine Art Freilichtmuseum erhalten geblieben sind, nutzte den perfekt ausgebauten Radweg entlang der Harbour Front, von wo aus man ganz tolle Fotos von den Hochhäusern machen kann und fand mich schließlich auf einem kleinen Boot wieder, dass mich zur Insel bringen sollte, die unmittelbar vor dem Zentrum von Toronto im Lake Ontario liegt. Mit dem Rad ist die Insel angenehm zu erkunden. Zu Fuß wären die Entfernungen einfach zu groß.
Schon am Freitagnachmittag hatte ich mich in der Stadt umgesehen auf der Suche nach dem Konzertsaal „the cave“, wo der letzte noch übrige der Ramones, CJ Ramone auftreten sollte. Ich fand zu meinem Erstaunen heraus, dass sich „the cave“ im Obergeschoss des Clubs „Lee’s Palace“ befand. Eine eigenartige Namenswahl. Man versicherte mir glaubwürdig, dass das Konzert nicht ausverkauft sein würde und dass kein Grund zur Eile bestünde. Ich solle einfach am Abend herkommen und am Eingang zahlen. Das tat ich dann auch. Leider hatte der Mann an der Kasse kein Wechselgeld und schickte mich wieder weg mit der Versicherung, dass auch in 20 Minuten das Konzert nicht ausverkauft sein werde. Später zählte ich knapp 80 Personen in dem kleinen Club und es gelang mir sogar, den mehr als schockierten Barkeeper davon zu überzeugen, mir ein Bier gemischt mit Cola zu servieren, was er widerwillig und zögerlich tat.
Ebenfalls mit dem Fahrrad fuhren wir zur Humber Bay Bridge, die zwar nicht außergewöhnlich schön oder groß, aber irgendwie doch ganz hübsch ist und ein perfektes Etappenziel für einen Fahrradausflug darstellt. Sie befindet sich im Westen der Stadt und ein perfekt gepflegter und ausgebauter Radweg führt bis dorthin. Dafür, dass in Toronto im Grunde nur in etwa drei von 12 Monaten Fahrradwetter herrscht (natürlich sind die Bewohner dieser kanadischen Metropole etwas abgehärteter als ich und können auch bei 5 Grad noch Radfahren…) sind die Wege wirklich tip top!
Einer der Höhepunkte – neben dem ausführlichen Besuch einer riesigen Walmartfiliale und insbesondere dessen Süßwarenabteilung – war der Ausflug nach Mississauga, wo die Marilyn Monroe Towers stehen und wohl die einzige Attraktion dieser Stadt darstellen. Also ich finde diese Türe besonders schön und fotogen. Zum Abschluss gab es dann noch den Kensington Market mit seinen vielen kleinen bunten Häusern, Graffitis, Fähnchen und Lebensmittelständen, der bei Sonnenschein noch zehnmal schöner ist als bei grauem Wetter.
Nach diesem Wochenende kann niemand behaupten, ich hätte nicht das Maximum aus meinem kurzen Besuch rausgeholt. Auch mein Begleiter war vollauf zufrieden mit unserem Programm und er meinte, er hätte seine Heimatstadt noch selten so intensiv erlebt und sogar einige Ecken gesehen, die er noch nicht kannte.
Eure Beatrice!