Prunk und Dekadenz bei den Razawillis
Es gibt eine Menge an mehr oder weniger gut erhaltenen Schlössern und Burgen in Weißrussland. Das Gebiet hat in zahlreichen Kriegen in den vergangenen Jahrhunderten als Schlachtfeld gedient und daher sind viele der einst ehrerbietigen Gemäuer irgendwann zerstört worden. Oftmals liest man davon, dass eine Burganlage oder ein Schloss vier oder fünfmal wieder aufgebaut wurde, nur um dann im nächsten Krieg wieder zerstört zu werden.
Heute gehören Mir und Neswish (oder Njaswisch) zu den wohl schönsten Anlagen. Das liegt unter anderen daran, dass sich irgendwer die Mühe gemacht hat, die Schlösser wieder aufzubauen und auch daran, dass beide liebevoll restauriert und wieder aufgebaut wurden. Sie stehen beide auf der Liste des UNESCO Welterbes, was sie recht bekannt gemacht hat.
In Nesvish liegt das Schloss malerisch in einem riesigen künstlichen See, der es wie ein Burggraben umgibt. Über einen langen Weg gelangt man zu einer Brücke, die den zweiten und eigentlichen Burggraben überquert. Der Innenhof ist eindrucksvoll, aber noch bunter und schöner wird es im Innern des Schlosses. Ich fühle mich nach Versailles oder Puschkin versetzt und staune über teures Porzellan, Wandbehänge, düstere Portraitgemälde, Spiegelsäle, Jagdtrophäen, eine Waffensammlung, eine Kapelle und wuchtige Kachelöfen. Ein freundlicher älterer Herr führt mich drei (statt der vorgesehenen einen) Stunden lang durch das Gemäuer und erzählt mir wahrscheinlich nur einen Bruchteil dessen, was er über die Familie Razawilli weiß. Er scheint ein wirklicher Fan besagten Adelsgeschlechts zu sein und weiß Geschichten zu fast jedem Gegenstand in der Sammlung zu erzählen.
Im Schloss Mir, das ebenfalls der Familie Razawilli gehört hat, muss ich mit einem Audioguide Vorlieb nehmen, der mir aber kaum etwas Neues erzählen kann. Das hat Vitali in Neswish schon alles ausführlich getan. Trotzdem ist auch die Anlage von Mir einen Besuch wert. Mir wirkt eher wie eine Festung als wie ein Schloss, auch wenn es im Innern einige prunkvolle Säle gibt. Die Wehrtürme sind deutlicher ausgeprägt und weniger grazil. Die Mauern sind dicker insgesamt passt hier der Begriff Festung etwas besser.
Diese beiden schönsten aller Schlösser liegen auf dem Weg zwischen Brest und Minsk, aber auch wer nur einen Abstecher nach Minsk macht, kann sie in einem Tagesausflug erreichen. Es lohnt sich, vor allem, wenn man auf prunkvolle Schlösser und überladene dekadente Adelsgemächer steht. Einfach herrlich war die Führung von Vitali, der unbedingt ein Buch über die Familie Razawilli mit all dem Gossip verfassen sollte. Wahrscheinlich weiß niemand so gut wie er, wer was mit dem hatte, wen bestochen oder vergiftet hat, wer schwul war und welche Laster hatte, wenn es um die Familie Razawilli geht. Danke Vitali! Du hast mindestens fünf Seiten meines nächsten Buches gefüllt.
Eure Beatrice!