Zürich – Sommer, Sonne, Schwingerfestival?
Die Schweiz ist neutral und hat eine ganz eigene Demokratie mit vielen Volksentscheiden. Sie verhält sich fast immer so neutral wie möglich, wenn es um Streitigkeiten geht. Die Schweizer streiten wohl nicht gerne und sie haben auch kein Interesse daran, dass sich alle anderen streiten. Sie wollen ihre teuren Uhren in alle Welt verkaufen und haben in den vergangenen Jahrzehnten alle Bankenkunden mit offenen Armen empfangen ohne viele Fragen zu stellen. Das Konzept hat definitiv gut funktioniert. In Zürich habe ich in diesem Sommer an einem Wochenende mehr Luxusautos gesehen als an einem Wochenende in Dubai – und das will schon was heißen.
Auch wenn die Banken in der Schweiz nun strengeren Auflagen gehorchen müssen, findet die Schweiz doch immer einen diplomatischen Weg, um innerhalb von Europa eine Sonderstellung einzunehmen. Alle mögen die Schweizer, denn sie sprechen viele Sprachen und das auch noch mit einem zauberhaften Akzent und sie sind bekannt als freundliche und friedliche Zeitgenossen. Die Schweizer sind quasi die Kanadier Europas. Nur etwas blonder und nicht ganz so gut im Eishockey.
An diesem fabelhaften Wochenende Ende August 2019 hat in Zürich die Sonne getan, was sie konnte, um die Stadt im besten Licht erscheinen zu lassen. Bei 25 Grad und strahlend blauem Himmel sieht Zürich wahrscheinlich doppelt so schön aus wie an regnerischen Tagen.
Die Altstadt ist hübsch und es gibt jede Menge Türme und Kopfsteinpflaster. Am schönsten ist es aber am Seeufer. Wenn man sich in einem der kleinen Supermärkte ein Bier kauft, statt in einem Restaurant oder Café, kann man es sogar bezahlen ohne in Tränen auszubrechen. Die Preise sind in Zürich ziemlich heftig. Das Bier auf dem Steg schmeckt hervorragend. Überall sind Menschen auf Tretbooten unterwegs oder Schwimmen. Ich sehe sogar ein paar Taucher, die im See Müll sammeln.
Das absolute Highlight des Ausflugs nach Zürich war jedoch der Tagesausflug in die Stadt Zug, wo dank einer glücklichen Fügung an genau dem Wochenende das nationale Schwingerfest stattfand. Meine Freundin Katharina gab mir schon am Morgen eine Einführung in diese uralte Tradition. Das Schwingen ist ein Kampfsport, den es nur in den Schweizer Bergen gibt. Die Schwinger (nicht Swinger!) sind meistens Berge von Kerlen, die auf Farmen in den Alpen aufgewachsen sind. Es gibt aber auch welche, die in Schwingervereinen trainieren.
Also fuhren wir mit dem Zug nach Zug. Allein um diesen Satz schreiben zu können, hat sich die Tour schon gelohnt. Das Schweingerfest findet nur alle drei Jahre statt. Ich hatte also echt Glück. Die Herren in der Kampfarena sind der Prototyp des Kraftprotzes, der nur auf einer Schweizer Farm heranwachsen kann. Sie sehen in ihren merkwürdigen Jute-Hosen, die sie über ihrer Kleidung tragen etwas albern aus, aber wie sie sich gegenseitig am Gürtel packen und versuchen, auf die Schultern zu werfen, ist schon ganz schön eindrucksvoll. Wir konnten einige Kämpfe im Public Viewing Bereich sehen, Alphornbläser erleben und die Stiere, Kühe und Pferde bestaunen, die als Lebendpreise den Siegern übergeben werden. In einem großen provisorischen Gebäude sind die anderen Preise zu bewundern. Da stehen Flachbildfernseher, Feldarbeitsmaschinen, Möbelstücke, riesige Glocken und Gutscheine für Urlaub in Florida neben dicken Polsterbetten, Rasenmähern, Mountainbikes und sogar einem Whirlpool.
Es gibt Kirschschnaps zu kaufen und jede Menge richtige Schweizer Lebensmittel. Eine Crepe mit Schokolade kostet 9 Schweizer Franken. Leider habe ich das Steinstoßen verpasst. Dabei nehmen riesige Kerle 80 Kilo schwere Steine und werfen sie so weit es geht. Das ist nahezu unglaublich.
Ich bin fasziniert von einem Land, in dem Festivals stattfinden, bei denen 30.000 Besucher auflaufen und keinerlei Kontrollen stattfinden. Ich bin schockiert von den Preisen für eigentlich alles in Zürich und ich bin glücklich, das Schwingerfest miterlebt zu haben. Hoffentlich finde ich eine ähnlich aufregende Attraktion, wenn Katharina ihren Gegenbesuch macht. Ich kann ja schon mal anfangen zu suchen.
Eure Beatrice!